Tadej Pogacar holte sich mit einem Vorsprung von 4:24 Minuten auf
Jonas Vingegaard souverän sein viertes Gelbes Trikot – ein Meilenstein in der Geschichte der
Tour de France. Doch während der Slowene seine Dominanz weiter ausbaute, hinterließ die letzte Woche der Rundfahrt mehr Fragen als Antworten. Pogacar wirkte müde, sprach offen über Burnout – und Vingegaard kam immer besser in Fahrt, als es zu spät war.
Die unterschiedlichen Verläufe ihrer dritten Wochen werfen eine grundlegende Frage auf: Haben sich Pogacar und Vingegaard 2025 falsch vorbereitet?
Pogacar: Der erschöpfte Champion
Zur Rennmitte schien Pogacars Sieg unausweichlich. Mit vier Etappensiegen – darunter zwei in den Pyrenäen – und klaren Siegen im Zeitfahren (Etappe 5) sowie auf der 12. Etappe am Hautacam, hatte er Vingegaard bereits distanziert. Allein diese beiden Etappen machten 3:15 Minuten des Gesamtvorsprungs aus. Danach jedoch stagnierte seine Form.
Die Frühjahrsduelle zwischen Pogacar und Van der Poel waren möglicherweise der Höhepunkt der Saison
Pogacar hörte auf, Etappen zu jagen. Er wirkte ausgelaugt und schlug bei Pressekonferenzen einen fast nachdenklichen Ton an: „Burnouts passieren, und das könnte auch mir passieren“, sagte er. Sogar ein Rücktritt sei für ihn kein Tabu, sollte er je wirklich ausbrennen.
Für einen Fahrer, der 2024 das Giro-Tour-Double mit zwölf Etappensiegen meisterte, war das eine markante Kursänderung. Doch obwohl sein 2025er Kalender mit 43 Renntagen (bis Juli) leichter wirkte, war die Belastung intensiver.
Pogacar begann seine Saison bei der UAE Tour, ehe er sich durch sieben Klassiker kämpfte – darunter Flandern, Paris-Roubaix, Amstel Gold und Lüttich. Jeder einzelne dieser Eintagesrennen verlangte Vollgas-Einsatz, häufig im direkten Duell mit Mathieu van der Poel. Es folgte die Dauphiné, bei der er wie bei der UAE Tour die Gesamtwertung gewann.
Im Gegensatz zum Giro 2024, der ihm trotz Dominanz vergleichsweise wenig abverlangte, war das Frühjahr 2025 durchgehend fordernd. 22 harte Renntage vor der Tour – alle mit maximaler Intensität.
In der dritten Tour-Woche zeigte sich die Quittung: Kein Etappensieg mehr, keine offensiven Momente, sondern vor allem Schadensbegrenzung. Pogacar verteidigte Gelb, aber er sah nicht mehr aus wie ein Fahrer auf Rekordjagd. Stattdessen kündigte er an, die Vuelta auszulassen, um sich für die Weltmeisterschaften zu erholen.
Vingegaard: Die späte Formkurve
Ganz anders verlief der Saisonaufbau bei Jonas Vingegaard. Nach seinem schweren Sturz bei Paris–Nizza im März kehrte er erst im Juni zur Dauphiné zurück – sein einziger Renneinsatz vor der Tour. Insgesamt hatte er lediglich 18 Renntage in den Beinen, vier weniger als Pogacar, aber entscheidender war die monatelange Wettkampfpause.
Vor der Tour hatte Vingegaard nur die Algarve-Rundfahrt gewonnen – und das knapp. Es war ein vorsichtiger, durch den Unfall geprägter Aufbau. Die große Frage war, ob ihm in Woche 1 die Rennhärte fehlen würde.
Steht Jonas Vingegaard regelmäßig genug an der Startlinie?
Und so kam es. Vingegaard verlor beim Zeitfahren der 5. Etappe 1:05 Minuten auf Pogacar – der erste Rückschlag. Der zweite folgte am Hautacam: 2:10 Minuten Verlust. Diese beiden Tage entschieden das Rennen. Ansonsten war Vingegaard stabil, oft gleichauf mit Pogacar.
Er selbst zeigte sich dennoch optimistisch: „Ich fühle mich viel besser als letztes Jahr“, sagte er. Die beiden Einbrüche seien Ausnahmen. Doch gerade das wirft Fragen auf: Lag es an Pech – oder fehlte schlicht die Rennhärte?
Zum Vergleich: 2023, als Vingegaard die Tour dominierte, hatte er bis Juli 26 Renntage hinter sich – inklusive Siegen bei O Gran Camiño, Itzulia und der Dauphiné. Seine Rennpausen waren kürzer, der Rhythmus gleichmäßiger.
2025 wirkte er zwar am Ende wieder voll da – auf dem Ventoux, dem Col de la Loze –, aber Pogacar war schon zu weit enteilt. Um seine Saison zu retten, kündigte er die Teilnahme an der Vuelta an – ein Kontrast zum pausierenden Pogacar.
Gekochte oder unterkochte Vorbereitung?
Kann man also behaupten, dass beide ihre Vorbereitung „falsch“ angelegt haben?
Nicht eindeutig. Pogacar hat die Tour gewonnen, Vingegaard wurde erneut Zweiter mit deutlichem Abstand zum Rest. Aber: Pogacar wirkte nach dem Frühjahr ausgelaugt – seine dritte Woche war die schwächste. Und Vingegaard? Der hatte zwar die Kraft, aber erst zu spät.
Es ist gut möglich, dass Pogacar ohne die Monument-Duelle mit Van der Poel frischer in die Tour gegangen wäre. Und dass Vingegaard mit einem volleren Frühjahr nicht zwei so entscheidende Einbrüche erlebt hätte.
Ironischerweise waren beide 2024 (Pogacar) und 2023 (Vingegaard) besser aufgestellt – mit gleichmäßigeren, jeweils für sie passenderen Kalendern. 2025 änderten sie ihre Strategie – und beide zahlten einen Preis.
War die 2025er-Ausgabe die seltsamste von Pogacars und Vingegaards 'Schlachten'?
Blick nach vorn
Die wichtigste Konsequenz: Pogacar verzichtet auf die Vuelta, um sich körperlich und mental zu erholen – ein bemerkenswerter Schritt für jemanden, der den Rekorden von Eddy Merckx nacheifert.
Vingegaard hingegen wird in Spanien starten und als Topfavorit gelten. Ob er dort in Bestform antritt oder zu spät seinen Höhepunkt erreicht, bleibt offen. Klar ist: Ein direktes Duell der beiden bei der Vuelta wird es nicht geben.
Und so müssen die Fans auf ein echtes Kopf-an-Kopf-Rennen weiter warten. Vielleicht bei der WM. Vielleicht 2026.
Doch über die seltsame dritte Woche der Tour 2025 – Pogacars Erschöpfung und Vingegaards Aufschwung – wird noch lange diskutiert werden.