Der Dienstag nach dem zweiten Ruhetag hat es in sich: Die 16. Etappe gilt als Schlüssel zum Giro-Gesamtsieg – oder zum endgültigen K.o. für angeschlagene Klassementfahrer. Fünf kategorisierte Anstiege stehen auf dem Programm, doch die Entscheidung wird höchstwahrscheinlich am letzten Berg fallen: dem Passo di San Valentino.
Dieser Schlussanstieg ist 17 Kilometer lang, weist eine durchschnittliche Steigung von 6,5 % auf und kommt nach einem intensiven Tag voller Höhenmeter. Hier wird nicht mehr taktiert – die reinen Kletterer werden angreifen müssen, um entscheidende Zeit zu gewinnen. Für Fahrer wie Isaac del Toro, Juan Ayuso, Richard Carapaz oder Egan Bernal ist dies der Moment, sich von der Konkurrenz abzusetzen – oder unterzugehen.
Es ist der Tag, an dem der Giro d’Italia 2025 eine neue Wendung nehmen könnte.
Piazzola sul Brenta - Brentonico (San Valentino), 203 Kilometer
Die ersten Kilometer dieser über 200 Kilometer langen Etappe sind flach – doch danach folgt ein wahres Bergmassiv. Die letzten zwei Drittel sind gnadenlos, und direkt nach dem Ruhetag könnte das vielen Fahrern zum Verhängnis werden. Wer hier einen schlechten Tag erwischt, kann seine Gesamtklassement-Ambitionen endgültig begraben. Kein Pardon – 4700 Höhenmeter sprechen eine deutliche Sprache.
Früh im Etappenverlauf warten bereits harte Prüfungen: ein Anstieg über 12,9 km bei 4,9 % Steigung (noch 130 km bis zum Ziel) und später 10,1 km mit 7,5 % (noch 88 km zu fahren). Doch die wahre Härte beginnt erst danach – mit zwei Monsterbergen, die das Rennen entscheidend prägen könnten.
Der erste davon ist der Passo Santa Barbara: 12,7 Kilometer bei durchschnittlich 8,3 % – konstant steil, lang, zermürbend. Der Gipfel ist noch 34 Kilometer vom Ziel entfernt, doch die anschließende Abfahrt ist steil, kurvenreich und technisch anspruchsvoll – ein Abschnitt, auf dem nicht nur Zeit gewonnen, sondern auch verloren werden kann.
Was folgt, ist das große Finale dieser Etappe: ein Tag, der für viele zum Schicksalstag im Kampf um das Maglia Rosa werden könnte.
Zwischen den beiden finalen Anstiegen liegt praktisch keine Verschnaufpause – direkt am Ende der Abfahrt vom Santa Barbara beginnt der Schlussanstieg nach Brentonico San Valentino. Und auch dieser hat es in sich: 18 Kilometer mit durchschnittlich 6 %, unterbrochen von zwei kurzen Abfahrten, die den Rhythmus brechen und die Belastung erhöhen.
Besonders die zweite Hälfte des Anstiegs ist brutal. Mehrere Kilometer mit durchschnittlich 9 % Steigung machen Brentonico zur perfekten Bühne für rennentscheidende Attacken. Wer hier noch Beine hat, kann das Rennen auf den Kopf stellen – wer einbricht, wird Minuten verlieren.
Es ist ein Anstieg, der sowohl physisch als auch taktisch alles fordert – und am Ende eines ohnehin extrem schweren Tages kann er über Sieg oder Niederlage im Kampf um das Maglia Rosa entscheiden.
Das Wetter
Karte Giro d'Italia 2025 Etappe 16
Die Fahrer starten ohne jede Gnade in die letzte Giro-Woche – denn die Wetterprognose verheißt nichts Gutes: Regen gleich zu Beginn. Schon auf dem Papier zählt diese Etappe zu den härtesten des gesamten Rennens, doch bei nassen Bedingungen werden die Abfahrten noch gefährlicher, das Risiko steigt – ebenso wie die Nervosität im Feld.
Vor allem auf den letzten Kilometern jedes Anstiegs dürfte der Kampf um Positionen vor den rutschigen Abfahrten erbarmungslos geführt werden. Wer nicht absolut in Topform ist, kann an diesem Tag seine Gesamtwertungsträume endgültig begraben. Die Kombination aus Höhenmetern, Wetter und Druck macht diesen Tag zu einem möglichen Wendepunkt des gesamten Giro d’Italia 2025.
Die Favoriten: Wer setzt auf Angriff, wer auf Schadensbegrenzung?
UAE Team Emirates – alles hängt an den Beinen
Die große taktische Frage wie auf Etappe 15 stellt sich diesmal kaum – denn auf dieser langen, kräftezehrenden Hochgebirgsetappe mit harter Bergankunft entscheidet vor allem eines: die Beine. Während auf dem Monte Grappa noch als Teamblock agiert wurde, ist in San Valentino jeder auf sich allein gestellt. Das Rennen wird nicht früh geöffnet, sondern am letzten Anstieg explodieren – dort, wo nur noch die stärksten Kletterer mithalten können.
Isaac del Toro wird die Etappe vermutlich nicht dominieren, aber er hat bisher keine Anzeichen von Schwäche gezeigt. Sollte er seine bisherige Frische beibehalten, kann er das Rosa Trikot entweder weiter absichern oder seinen Vorsprung sogar noch ausbauen.
Kampf ums Gesamtklassement – Etappe 16 eher eine Standortbestimmung
Ein Tag für Fernangriffe ist diese Etappe kaum. Richard Carapaz fehlt das Team, um früh Druck zu machen – sein Ziel wird es sein, in der Schlusssteigung nach San Valentino Zeit gutzumachen. Derek Gee dürfte mit seinem aktuellen fünften Platz zufrieden sein und kein unnötiges Risiko eingehen. Ähnlich dürfte Simon Yates denken, der bislang ein makelloses Rennen fährt und auf Konstanz setzt.
Bahrain Victorious mit Damiano Caruso sowie INEOS Grenadiers mit Antonio Tiberi, Egan Bernal und Thymen Arensman könnten theoretisch das Rennen animieren. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie Kräfte sparen und auf Etappe 17 setzen, um mit mannschaftlicher Überzahl für Unruhe zu sorgen.
Roglic – die große Unbekannte
Spannend bleibt die Frage nach Primoz Roglic. Aktuell nur auf Rang 10, wirkt er nach der enttäuschenden 15. Etappe angeschlagen – doch vielleicht war es nur ein Ausrutscher. Es ist gut möglich, dass er sich in besserer Verfassung präsentiert. Allerdings spielt ihm das Terrain nicht in die Karten: Der lange, gleichmäßige Schlussanstieg liegt nicht ideal für seine explosiven Fähigkeiten. Selbst in besserer Form dürfte er also eher auf Schadensbegrenzung setzen als auf Attacke.
Fazit: Es ist ein Tag, an dem weniger Taktik als reine Kletterstärke entscheidet – und an dem das Maglia Rosa entweder gefestigt oder erstmals ernsthaft in Gefahr geraten könnte.
Chancen für Ausreißer? Nur für starke Kletterer
Eine Ausreißergruppe könnte auf dieser Etappe durchaus durchkommen – aber die Bedingungen dafür sind alles andere als ideal. Das Terrain ist extrem anspruchsvoll, und da in der Gesamtwertung noch vieles offen ist, wird das Tempo der GC-Teams hoch sein. Das bedeutet: Nur ein sehr starker Kletterer in Topform wird überhaupt die Chance haben, sich durchzusetzen – und davon gibt es außerhalb der Top 15 nur wenige.
Der flache Beginn der Etappe erschwert es zusätzlich, denn er bietet kaum Gelegenheit für typische Kletterer, sich früh abzusetzen. Die Gruppe des Tages wird wahrscheinlich sehr hart umkämpft sein – und erst später im Rennen wirklich selektiv.
Giulio Pellizzari könnte einer der wenigen Fahrer sein, die die nötige Freiheit vom Team bekommen, um es auf eigene Faust zu versuchen. Auch Nicolas Prodhomme, Nairo Quintana, Louis Meintjes, Romain Bardet, Max Poole, Wout Poels, Chris Harper, Georg Steinhauser, Luke Plapp, Filippo Zana und Lorenzo Fortunato gehören zu den Kandidaten, die über das Profil, die Kletterstärke und die Rennerfahrung verfügen, um an einem so brutalen Tag ganz vorne mitzumischen.
Fazit: Eine Fluchtgruppe kann erfolgreich sein – aber nur, wenn sie mit echten Bergspezialisten besetzt ist, die von den Favoriten nicht als direkte Gefahr eingestuft werden. Andernfalls wird das Gesamtklassement am Passo San Valentino alles an sich reißen.
Vorhersage Giro d'Italia 2025 Etappe 16:
*** Isaac del Toro, Juan Ayuso
** Richard Carapaz, Giulio Pellizzari, Wout Poels
* Simon Yates, Egan Bernal, Primoz Roglic, Thymen Arensman, Antonio Tiberi, Damiano Caruso, Derek Gee, Primoz Roglic, Nicolas Prodhomme, Chris Harper, Georg Steinhauser, Luke Plapp, Lorenzo Fortunato, Filippo Zana
Auswahl: Isaac del Toro
Wie: Solosieg