Die 6. Etappe der Vuelta a España bringt das Peloton erstmals ins Hochgebirge – und das gleich mit einem Paukenschlag. Direkt nach der Einfahrt nach Spanien verlässt das Rennen das Land schon wieder und steuert auf Andorra zu. Dort wartet der erste große Test für die Klassementfahrer.
Jonas Vingegaard muss zeigen, wie standfest er ist – und sich gegen João Almeida, Juan Ayuso und weitere Rivalen behaupten.
Der sechste Wettkampftag führt von Olot hinauf nach Pal, wo ein langer Schlussanstieg das Finale markiert. Nur einen Tag nach dem Grenzübertritt nach Spanien endet die Vuelta somit schon wieder außerhalb des Landes – und schreibt damit eine besondere Statistik: Innerhalb von weniger als einer Woche findet bereits das vierte Finale in einem anderen Land statt.
Doch bevor es so weit ist, müssen die Fahrer früh die Kletterbeine testen. Gleich vom Start weg geht es über elf Kilometer bergauf – ein Anstieg, der für eine starke Ausreißergruppe wie gemacht scheint. Noch in der ersten Hälfte des Tages steht die Collada de Tosses auf dem Programm, ein 24 Kilometer langer Aufstieg, der zwar gleichmäßig, aber kräftezehrend ist. Wer hier nicht aufpasst, sammelt schon Körner, die im Finale fehlen könnten.
Profil & Strecke
Olot - Pal. Andorra, 170,3 Kilometer
Viele Profis kennen die Straßen Andorras bestens. Zahlreiche Fahrer haben hier ihren Wohnsitz und trainieren regelmäßig auf den gleichen Anstiegen, die nun das Rennen prägen. Das Profil kombiniert zwei markante Berge: Zunächst geht es über den Alto de la Comella, eine technisch anspruchsvolle Rampe mit 8 Prozent Durchschnittssteigung auf vier Kilometern. Der Gipfel ist nach rund 20 Kilometern erreicht. Angriffe sind hier jedoch kaum zu erwarten – dafür ist der Schlussanstieg zu entscheidend.
Der finale Anstieg nach Pal ist offiziell mit 9,6 Kilometern bei 6,5 Prozent angegeben. In Wahrheit klettern die Fahrer schon deutlich früher bergauf, bevor die Steigung als „kategorisiert“ gilt. Einige flache Abschnitte im Tal erlauben es, Attacken zu kontrollieren, doch im Finale gibt es keine Verschnaufpause. Auf fast 1.900 Metern Höhe entscheidet eine zermürbende, gleichmäßige Steigung darüber, wer in der Gesamtwertung die ersten klaren Akzente setzt. Kleine Unterschiede können hier schnell zu wichtigen Sekunden werden.
Das Wetter
Die Wetterprognosen versprechen ein brisantes Szenario. Vor allem im Finale müssen die Fahrer mit Regen rechnen. Nasse Straßen machen die letzte Abfahrt riskant, und auch die langen Anstiege bekommen unter diesen Bedingungen ein zusätzliches Gewicht. Eine erste Bergetappe bringt ohnehin Unsicherheiten mit sich – doch mit dem Wetter als Variable wird der Tag zur echten Nervenprobe. Wer die falsche Linie wählt oder im entscheidenden Moment nicht die richtige Risikobereitschaft zeigt, verliert schnell wertvolle Zeit.
Karte Vuelta a España 2025 Etappe 6
Die Favoriten
Jonas Vingegaard geht als Mann im roten Trikot in die Etappe – und als Topfavorit. Er muss nicht unbedingt attackieren, doch die Abstände in der Gesamtwertung sind minimal: weniger als zehn Sekunden trennen ihn von Almeida, Ayuso und Ciccone. Vingegaard kennt die Bedeutung solcher Tage und dürfte den Instinkt verspüren, selbst im Vorteil Druck zu machen. Das Finale liegt ihm nicht perfekt – ein Hochgebirgspass wäre idealer –, doch seine Klasse macht ihn auch hier zum gefährlichsten Fahrer.
Team UAE Emirates startet mit einer komfortablen Ausgangslage. Mit Almeida, Ayuso und Soler stehen gleich drei Fahrer knapp hinter Vingegaard. In Andorra, wo viele Teammitglieder zu Hause sind, könnte das ein zusätzlicher Motivationsschub sein. Die Taktik dürfte klar sein: Kräfte sparen und die Optionen offenhalten. Soler könnte sich in eine Ausreißergruppe schieben, während Almeida und Ayuso möglichst nah an Vingegaard bleiben. Für sie geht es weniger um den Tagessieg als um die mittelfristige Kontrolle der Gesamtwertung.
Die Außenseiter: David Gaudu und Giulio Ciccone wirken derzeit in starker Form. Beide gelten nicht als konstante Klassementfahrer, sind aber in explosiven Finals jederzeit für einen Sieg gut. Sollte der Schlussanstieg nicht die großen Abstände bringen, könnten sie im Sprint eines dezimierten Feldes triumphieren.
Tom Pidcock lebt wie viele andere Profis in Andorra und kennt die Straßen auswendig. Der Brite könnte die gefährliche Abfahrt nutzen, um einen Überraschungsangriff zu wagen. Mit seiner Technik und Risikobereitschaft wäre er prädestiniert für eine solche Aktion, besonders wenn die Bedingungen nass und unberechenbar sind.
Hinter den großen Namen lauern weitere Fahrer, die sich im ersten Bergtest zeigen wollen: Jai Hindley, Egan Bernal, Felix Gall, Santiago Buitrago, Mikel Landa oder Ben O’Connor. Auch das Astana-Trio Fortunato, López und Tejada hat das Potenzial, vorne mitzumischen.
Nicht zu unterschätzen ist die Möglichkeit eines Ausreißersiegs. Der Start bergauf lädt zu frühen Attacken ein, und nach den ersten fünf Etappen haben viele Fahrer bereits Rückstände in der Gesamtwertung, die ihnen Freiheiten verschaffen. Gerade Teams ohne klaren Klassementkapitän könnten versuchen, Fahrer in die Gruppe zu bringen. Auf nasser Straße und mit einem langen Finale sind Überraschungen durchaus möglich.
Chris Harper, Sergio Higuita, Wout Poels, Victor Langellotti, Emanuel Buchmann, Magnus Sheffield, Esteban Chaves, Pablo Castrillo, Eddie Dunbar, Carlos Verona, Jay Vine und Luca Vergallito sind allesamt Männer, die man bei diesem Finale im Auge behalten sollte.
Und vergessen wir nicht: Zahlreiche Profis wohnen in Andorra. Für sie ist die Etappe ein Heimspiel – mit der entsprechenden Extra-Motivation.
Zumindest im Finale der Etappe werden die Fahrer mit viel Regen rechnen müssen. Das wird die letzte Abfahrt sehr gefährlich machen und die Anstiege selbst könnten eine andere Herausforderung sein. Die erste Bergetappe wird einige unangenehme Variablen aufweisen, die einige Fahrer in eine komplizierte Lage bringen könnten.
Vorhersage Vuelta a España 2025 Etappe 6:
*** Topfavoriten: Jonas Vingegaard, Giulio Ciccone
** Geheimfavoriten: David Gaudu, João Almeida, Juan Ayuso
* Außenseiter: Jai Hindley, Giulio Pellizzari, Egan Bernal, Felix Gall, Tom Pidcock, Pablo Castrillo, Eddie Dunbar, Carlos Verona, Jay Vine, Esteban Chaves, Matteo Jorgenson, Marc Soler
Tipp: Jonas Vingegaard
Wie: Statistisch gesehen bleibt Vingegaard der Favorit. Auch wenn er in Führung liegt, ist diese keineswegs sicher, und er wird das harte Gipfelfinish ausnutzen wollen, wenn er die Beine hat.
Original: Rúben Silva