Am 2. August nimmt die WorldTour nach der Tour de France wieder Fahrt auf – mit einem Klassiker, der es in sich hat: Die
Clasica San Sebastian zählt zu den anspruchsvollsten und traditionsreichsten Eintagesrennen im Kalender. Schauplatz ist wie immer das radsportverrückte Baskenland.
Die Strecke umfasst 212 Kilometer und rund 3900 Höhenmeter – damit sind erneut die Kletterer und explosiven Puncheure gefragt. Im Vergleich zum Vorjahr fällt das Profil allerdings etwas ab: Rund 20 Kilometer und 500 Höhenmeter weniger stehen auf dem Plan – eine Ausnahme im Trend der letzten Jahre, wo viele Rennen tendenziell schwerer wurden.
Ein etwas entschärfter Auftakt
Die ersten Rennstunden bieten weniger Anstiege als gewohnt – nur noch drei statt fünf. Anspruchsvoll bleiben sie trotzdem. Das Terrain eignet sich für frühe Tempoverschärfungen, um das Feld zu ermüden. Dennoch: Die Fahrer erreichen den finalen, entscheidenden Abschnitt mit weniger Belastung in den Beinen als in den Vorjahren – ein Faktor, der das Rennen taktisch offener machen könnte.
San Sebastián - San Sebastián, 212,7 Kilometer
Der erste große Anstieg des Tages ist der Jaizkibel – 7,9 Kilometer lang bei durchschnittlich 5,5 % Steigung. Sein Gipfel wird nach 62 Kilometern erreicht, gefolgt von einer technisch anspruchsvollen Abfahrt. Auch wenn er durch einen neuen Anstieg weiter vom Ziel entfernt liegt als in früheren Ausgaben, bleibt der Jaizkibel das markanteste Merkmal der Clásica San Sebastián – und ein Schlüsselmoment, der das Rennen prägen kann.
Jaizkibel: 7.9Km; 5.5%; 62Km zu gehen
Kurz darauf wartet der Erlaitz-Anstieg – 4 Kilometer lang, im Schnitt über 10 %. Der Gipfel liegt bei Kilometer 43 vor dem Ziel. Hier kann das Rennen ernsthaft in Bewegung geraten. Die Steigung ist konstant hart, ideal für Kletterer, die früh selektieren oder erste Attacken setzen wollen.
Wer hier stark ist, kann das Feld sprengen oder sich entscheidend absetzen. Nach dem Gipfel folgt ein welliger Abschnitt auf einem Plateau, bevor es erstmals hinunter nach San Sebastián geht. Ein strategischer Moment – das Rennen nimmt spürbar Fahrt auf.
Erlaitz: 4Km; 10.4%; 43Km zu gehen
Murgil – die entscheidende Wand
Im Finale kehrt das Rennen zurück zum Anstieg nach Murgil – einem vertrauten Prüfstein in den Hügeln rund um San Sebastián. In den vergangenen Jahren wurden unterschiedliche Varianten befahren, doch diesmal wählt man erneut die klassische Seite, die zuletzt am häufigsten zum Einsatz kam.
Mit 2 Kilometern bei 9,4 % Steigung ist Murgil eine typische baskische Wand – kurz, aber gnadenlos. Besonders der Abschnitt mit 500 Metern bei 15 % hat das Potenzial, jedes verbleibende Feld zu zerlegen. Wer hier noch Kraft in den Beinen hat, findet das perfekte Terrain, um die Entscheidung zu erzwingen.
Murgil Tontorra: 2Km; 9.4%; 7.7Km zu gehen
Die Abfahrt zum Ziel ist dann technisch und schnell und lässt den Fahrern nur noch 3 Kilometer Zeit. Dann geht es auf einer schnellen, flachen Straße ins Herz von San Sebastián, wo es einen Solosieger oder einen kleinen Sprint um den Sieg geben wird;
Karte Clàsica San Sebastiàn 2025
Das Wetter
Eine leichte Brise aus Norden könnte Fahrern entgegenkommen, die am Erlaitz attackieren wollen – ohne jedoch das Rennen grundlegend zu verändern. Es besteht zudem eine geringe Chance auf Regen vor oder während des Rennens, was die Abfahrten technisch anspruchsvoller und unübersichtlicher machen könnte.
Die Favoriten
Bergfahrer oder Puncheure – wer entscheidet die Klasikoa 2025?
Die Clásica San Sebastián wird oft von Fahrern gewonnen, die mit starker Form und frischen Beinen aus der Tour de France kommen. Auch in diesem Jahr ist das möglich – aber keineswegs garantiert. Die Frage lautet: Reicht Tour-Form, oder entscheidet taktisches Geschick?
Tour-Fahrer mit Fragezeichen
Oscar Onley, Tobias Johannessen und Lenny Martínez bringen alle das Profil mit, um auf dem baskischen Terrain zu glänzen – kurze, giftige Anstiege liegen ihnen. Doch nach harten Tour-Wochen ist nicht sicher, wie viel noch im Tank steckt. Die Beine könnten müde sein, die Chance auf den Sieg genauso groß wie das Risiko, früh zu verlieren.
Anders sieht es bei Cofidis aus: Ion Izagirre und Alex Aranburu blieben bei der Tour blass, doch in San Sebastián haben sie oft überzeugt. Ihre Streckenkenntnis und Erfahrung machen sie gefährlich – gerade dann, wenn andere schwächeln.
UAE mit Doppelführung – und Außenseiter
Das UAE Team Emirates – XRG geht mit einem der stärksten Kader ins Rennen.
Isaac Del Toro kommt mit mehreren Siegen im Juli in Bestform,
Juan Ayuso nutzt die Klasikoa als Testlauf vor der Vuelta. Beide zählen zu den klaren Favoriten. Jan Christen ist als Außenseiter ebenfalls zu beachten – taktisch klug eingesetzt, kann er überraschen.
Auch Fahrer wie Giulio Ciccone, Pellizzari, Pello Bilbao, Antonio Tiberi oder Aleksandr Vlasov könnten an einem guten Tag ganz vorne landen. Bilbao kennt die Straßen wie kaum ein anderer – auf heimischem Terrain ist mit ihm immer zu rechnen.
Puncheure mit Rückenwind
Wie im Vorjahr könnte das Rennen aber auch den explosiven Klassikerspezialisten gehören. Wenn Jaizkibel und Erlaitz nicht kompromisslos gefahren werden, könnte der letzte kurze Anstieg – Murgil – wieder zum entscheidenden Moment für die Puncheure werden. Das verkürzte Streckenprofil mit weniger Höhenmetern als sonst macht dieses Szenario wahrscheinlicher.
Marc Hirschi, Titelverteidiger, zeigte bei der Tour wenig – ein erneuter Sieg scheint unwahrscheinlich. Doch Romain Grégoire, Tiesj Benoot, Mauro Schmid, Neilson Powless, Quinn Simmons und Simone Velasco bringen alle Qualitäten mit, um bei einem explosiven Finale ganz vorn zu landen. Unterschiedliche Fahrertypen, aber mit einer Gemeinsamkeit: Vielseitigkeit.
Die Unberechenbaren
Hinzu kommt eine spannende Mischung aus Tour-Rückkehrern und formstarken Sommerfahrern wie Aurélien Paret-Peintre, Louis Barré, Michal Kwiatkowski, Christian Scaroni, Maxim van Gils, Lukas Nerurkar und Ewen Costiou. Wer die Beine hat, kann überraschen – positiv wie negativ.
Eines ist sicher: Die Clásica San Sebastián 2025 ist offen wie selten. Die Beine entscheiden – aber Taktik, Teamstärke und Timing werden den Unterschied machen.
Vorhersage Clàsica San Sebastiàn 2025
*** Isaac del Toro, Juan Ayuso
** Oscar Onley, Tobias Johannessen, Lenny Martínez
* Antonio Tiberi, Pello Bilbao, Giulio Ciccone, Giulio Pellizzari, Ion Izagirre, Quinn Simmons, Michal Kwiatkowski, Maxim van Gils, Neilson Powless, Romain Grégoire, Tiesj Benoot
Auswahl: Isaac del Toro
Einschätzung:
Ich erwarte, dass UAE das Rennen kontrolliert – es sei denn, Oscar Onley bringt die Beine aus der Tour mit. Sollte er diese Form nicht haben, werden Ayuso oder Del Toro das Geschehen diktieren. Einer der beiden dürfte mit einem entschlossenen Soloangriff den Sieg holen – entscheidend wird sein, wann die Attacke gesetzt wird.