Von der Hitze Lavals bis zur Eistonne von
Phil Bauhaus – die achte Etappe der
Tour de France 2025 bot sportlich wenig Spektakel, doch die Stimmen danach lieferten reichlich Gesprächsstoff. Im Mittelpunkt: der Sprint-Sieg von
Jonathan Milan, ein starker vierter Platz für
Pascal Ackermann – und eine emotionale Wertschätzung von Superstar
Tadej Pogacar an seinen treuen Helfer
Nils Politt. In der neuesten Ausgabe des
"Sportschau Tourfunk"-Podcasts widmeten sich Host Moritz Casalette und seine Experten Florian Naß, Fabian Wegmann, Holger Gerska und Michael Ostermann diesen Themen.
Ein italienischer Befreiungsschlag
Die 8. Etappe der Tour de France 2025 – ein glühend heißer Sprinttag, wie gemacht für schnelle Beine. Die Entscheidung fiel in Laval, und sie war eine italienische: Jonathan Milan vom Team LIDL–Trek setzte sich im finalen Sprint durch und feierte seinen ersten Etappensieg bei der Frankreich-Rundfahrt. Es war zugleich der erste Tagessieg eines Italieners seit sechs Jahren.
„Jonathan Milan ist am Ziel seiner Wünsche“, kommentierte Radioreporter Holger Gerska im Sportschau-Podcast Tourfunk. „Er gewinnt zum ersten Mal in seiner Karriere eine Tour-de-France-Etappe – eine Genugtuung, die man ihm ansehen konnte.“ Milan jubelte in seinem grünen Trikot, der Olympiasieger auf der Bahn zeigte, dass seine Entwicklung als Sprinter längst nicht abgeschlossen ist. „Einer wie gemacht für diese Finals“, so Gerska.
"Am Ziel seiner Träume" - Jonathan Milan gewann am Samstagabend die erste Tour de France-Etappe seiner Karriere
Deutsche Hoffnungsträger im Sprint: Ackermann und Bauhaus
Dass Milan ganz oben stand, hatte auch mit den verpassten Chancen deutscher Fahrer zu tun. Pascal Ackermann vom Team Israel - Premier Tech zeigte einen starken Sprint, wurde am Ende Vierter – und analysierte im Interview mit Michael Antwerpes, was fehlte:
„Es war eigentlich schon dreieinhalb Kilometer vor dem Ziel schwierig – ich hab meinen Anfahrer verloren. Ich bin dann von hinten gekommen, war sogar wieder an seinem Rad dran, aber er hat mich nicht gehört. Das hätte das perfekte Lead-out sein können“, sagte Ackermann. Dennoch zeigte er sich zufrieden: „Die Jungs vor mir waren keine Schlechten – und wir haben noch ein paar Sprintchancen. Ich glaube, da geht noch was.“
Auch Phil Bauhaus (Bahrain-Victorious) hatte mit Hindernissen zu kämpfen. In einem Kreisverkehr verlor er entscheidende Positionen, wie ARD-Experte Fabian Wegmann schilderte: „Er musste abbremsen, fast aus dem Pedal raus – das hat ihm am Ende die Körner für den entscheidenden Punch gekostet.“
"Der nächste Sprint kommt bestimmt": Optimismus bei Ackermann und Bauhaus
Beide deutschen Sprinter zeigten sich kämpferisch. „Das war mein erster Sprint, den ich richtig fahren konnte – und der war nicht schlecht“, sagte Ackermann im Ziel. „Ich bin in den letzten Jahren immer besser reingekommen mit der Zeit – warum sollte es dieses Jahr anders sein?“
Auch bei Bauhaus war nach Platz 12 keine Spur von Frust – eher pragmatischer Optimismus: „Die Sprints sind bei dieser Tour extrem offen – es gibt keinen einzigen Lead-Out-Zug, der konstant funktioniert. Das ist unsere Chance“, sagte Michael Ostermann von sportschau.de, der mit Jasper Stuyven über die veränderte Taktik des
LIDL-Trek-Zugs sprach.
Eistonne als Erholung – Bauhaus und die Udo-Jürgens-Gedächtnisrobe
Ein besonderes Highlight des Podcasts war das exklusive Interview mit Phil Bauhaus – live aus der Eistonne. Gemeinsam mit Teamkollegen regenerierte der Deutsche nach der Hitzeschlacht in einem mobilen Kaltwasserbecken. „Jetzt nach so einer Etappe mit über 30 Grad ist das echt angenehm“, so Bauhaus. „Ich weiß nicht genau, was das mit der Muskulatur macht – aber es fühlt sich einfach gut an.“
ARD-Reporter Bernd Arnoldt begleitete die Szene mit einem Schmunzeln – Bauhaus im Bademantel, „ganz im Udo-Jürgens-Stil“. Auch Fabian Wegmann lobte das Ritual: „Die Kerntemperatur runterzubringen ist entscheidend – sonst fühlt sich das an wie Fieber. Und das schwächt den Körper enorm.“
Der Moment des Tages: Pogacar über Politt – eine sportliche Liebeserklärung
Doch das emotionale Highlight dieser Podcast-Folge kam gegen Ende – und hatte nichts mit dem Sprint zu tun. Tadej Pogacar, Träger des Gelben Trikots und aktuell bester Radfahrer der Welt, wurde von Reporter Stephan Klemm nach einem Mann gefragt, der selten im Rampenlicht steht, aber entscheidend für Pogacars Erfolge ist: Nils Politt.
Pogacars Antwort war nichts weniger als eine Liebeserklärung:
„Nils ist unsere Giraffe. Vielleicht hatte er anfangs ein paar Schwierigkeiten, aber wenn es zählt, zeigt er immer, dass er einer der besten – wenn nicht der beste – Helfer der Welt ist. Ich bin so glücklich, ihn im Team zu haben. Er ist auch super smart und sagt dir direkt ins Gesicht, was er denkt. Gestern hat er einen unglaublichen Job gemacht. Bei dem Tempo, das wir im Feld fahren, gegen Ausreißer, gegen die besten Fahrer der Welt, so nah dran zu bleiben und sie einzufangen – das ist außergewöhnlich. Nils Politt ist einzigartig.“
Nils Politt selbst nahm das Lob mit gewohnter Bescheidenheit entgegen: „Tadej ist ein super loyaler Fahrer. Er weiß es zu schätzen, was wir als Team für ihn leisten. Er bedankt sich jeden Tag – das ist etwas ganz Besonderes.“
Politt: Vom Etappensieger zum Edelhelfer
Politt, der 2021 selbst eine Etappe der Tour für BORA - hansgrohe gewann, hat sich ganz bewusst für die Rolle des Helfers entschieden. „Das Team ist einfach großartig. Wir haben so eine gute Stimmung – und es ist ein kleiner Traum, Teil davon zu sein“, sagte er. „Letztes Jahr haben wir die Tour gewonnen, jetzt tragen wir wieder Gelb. Für so einen Kapitän alles zu geben, für einen der besten Fahrer aller Zeiten – das ist etwas ganz Besonderes.“
Moritz Casalette, Host des Tourfunk, bringt es auf den Punkt: „Man muss bei einem Kapitän mehr können als Rad fahren – du musst ein echter Leader sein. Und Pogacar scheint das perfekt zu beherrschen.“
Pogacar: Fröhlich, fokussiert, führungsstark
Pogacars Führungsqualitäten, so Florian Naß, zeichnen sich durch Leichtigkeit und Menschlichkeit aus. „Er nutzt die Bühne, ohne aufgesetzt zu wirken. Er weiß, wann die Kameras an sind – aber er ist einfach so, wie er ist.“ Fabian Wegmann ergänzte: „Diese Lockerheit, diese Fröhlichkeit – das ist ein riesiger Vorteil in einem Sport, der so hart ist.“
Auch Michael Ostermann beobachtete eine Szene, die Pogacars menschliche Seite unterstreicht: „Er war oft hinten im Feld bei Joao Almeida, der mit gebrochener Rippe weiterfährt. Pogacar war da, hat mit ihm gesprochen – das zeigt, wie loyal er ist. Er weiß, wie wichtig Almeida noch werden kann in den Bergen.“
Kampf gegen die Hitze – und gegen die Klimaanlage
Die größte sportliche Herausforderung des Tages fand im Fahrerfeld statt – die größte thermische Herausforderung dagegen in den Übertragungsbussen der ARD. Während draußen Temperaturen von über 30 Grad zu messen waren, herrschten in den Pressecontainern und Reporterboxen teils bizarre Zustände. Florian Naß erzählte im Tourfunk launig von seinem Ritual, auf einer Transportkiste zu sitzen statt auf dem offiziellen Klappstuhl: „Man sitzt höher, ist konzentrierter, hat mehr Druck auf der Stimme – und lehnt sich nicht an.“ Auch Fabian Wegmann hat sich dem „Kisten-Hocker-Club“ angeschlossen.
Holger Gerska hingegen kämpfte an ganz anderer Front – nämlich gegen die Heizung: „Unten haben die Fernsehkollegen Klimaanlage, oben bei uns im Radiobus läuft die Heizung. An einem Tag wie heute nicht unbedingt hilfreich.“ Die Kollegen erinnerten sich gar an frühere Etappen in Carcassonne, wo 40 Grad Außentemperatur herrschten – und man es trotzdem im Bus noch heißer empfand. Gerska: „Als ich mal rausging zur Toilette, war mein erster Gedanke: ‚Och draußen ist es ja angenehm kühl‘ – bei 40 Grad. Das sagt alles.“
Für die Fahrer, die den ganzen Tag unter der prallen Sonne unterwegs waren, ist die Hitzeregulation indes keine Anekdote, sondern Überlebensstrategie. „Bei 35, 36 Grad ist das wie Fieber – und wenn du nicht runterkühlst, erholst du dich nicht“, erklärte Fabian Wegmann. Neben der Eistonne kommen deshalb auch Maßnahmen wie Kühlwesten, Flüssigkeitschecks und Gewichtsmessung vor und nach dem Rennen zum Einsatz. Der Flüssigkeitsverlust wird dabei exakt dokumentiert – denn „wer zwei Kilo verliert, hat nicht Fett verloren, sondern Wasser“.
Zwischenmenschliches im Peloton – Pogacar fragt nach seiner Freundin
Eine fast beiläufige, aber umso erhellendere Szene wurde ebenfalls thematisiert – und sie sagt viel über den Menschen Tadej Pogacar aus. Während der Etappe erkundigte sich der slowenische Superstar beim Teamfunk über das Abschneiden seiner Lebensgefährtin Urska Zigart, die zeitgleich beim Giro d’Italia Women im Einsatz war. Dort hatte Zigart zuvor einen soliden siebten Platz belegt und rangierte in der Gesamtwertung auf Platz acht – eine deutliche Steigerung im Vergleich zu früheren Jahren.
Dass Pogacar während einer laufenden Tour-Etappe gezielt nachfragt, wie es Urska geht, zeigt seine emotionale Verbindung zum Frauenradsport – und sein echtes Interesse am sportlichen Geschehen jenseits der eigenen Leistung. Florian Naß erinnerte sich: „Er hat auch gefragt, was bei der Österreich-Rundfahrt los ist – da gab’s einen Sieg für das Team und Maika war auf drei. Das wollte er alles wissen – live während des Rennens.“
Auch bei anderen Fahrern ist der Frauenradsport offenbar mehr als nur Randnotiz. Holger Gerska erwähnte die gute Leistung von Antonia Niedermaier, die beim Giro als beste Nachwuchsfahrerin auf Rang fünf liegt – ein starkes Signal für den deutschen Nachwuchs. Solche Querverbindungen zwischen Männerrundfahrt und Frauenrennen sind zwar im Tagesgeschehen selten Thema, doch in der lockeren Atmosphäre des Tourfunk bekommen sie den Raum, den sie verdienen – und liefern weitere Facetten eines faszinierenden Sports.
Blick nach vorn: Montag wird entscheidend
So ruhig das Renngeschehen auf der 8. Etappe auch war – der Blick richtet sich schon auf den 14. Juli. Nationalfeiertag in Frankreich, eine schwere Etappe durchs Zentralmassiv. Dort wird sich zeigen, ob Pogacar seine Dominanz fortsetzen kann – und wie stark Helfer wie Politt wirklich sind, wenn es in die Berge geht.
Noch ist es eine Etappe bis dahin. Ein Sprint, eine Chance für Bauhaus und Ackermann. „Wenn sie im richtigen Moment am richtigen Ort sind, kann es klappen“, so Michael Ostermann. Vielleicht schon morgen in Châteauroux.