DISKUSSION Tour de France Etappe 8 | Ist Wout van Aert wieder in Topform?

Radsport
Samstag, 12 Juli 2025 um 21:30
van-aert
Die achte Etappe der Tour de France war ein klassischer Übergangstag – eine weitere Gelegenheit für die Sprinter, sich einen Etappensieg zu sichern. Mit überwiegend flachem Terrain und nur einem kategorisierten Anstieg bot sich eine nahezu perfekte Bühne für die endschnellen Männer des Pelotons.
Lidl-Trek und Intermarché – Wanty übernahmen von Beginn an die Kontrolle im Hauptfeld. Anders als sonst mussten sie dabei aber kein Ausreißerduo jagen – denn bis 82 Kilometer vor dem Ziel blieb das Feld geschlossen. Erst dann wagte TotalEnergies einen Vorstoß und schickte Mattéo Vercher und Mathieu Burgaudeau nach vorn – eine kurze, aber unterhaltsame Flucht für die Zuschauer.
Neun Kilometer vor dem Ziel war jedoch Schluss: Das Peloton, nun angeführt von Visma und Alpecin, machte ernst und stellte das Duo.
Mathieu van der Poel übernahm heute wieder die Rolle des Edelhelfer und lancierte den Sprint für Kaden Groves perfekt. Doch gegen die rohe Kraft von Jonathan Milan war kein Kraut gewachsen – der Italiener gewann souverän und unangefochten. Wout van Aert sicherte sich Platz zwei, Kaden Groves wurde Dritter.
Nach dem Zieleinlauf baten wir einige unserer Redakteure um ihre Einschätzungen und wichtigsten Erkenntnisse zu diesem ereignisarmen, aber taktisch interessanten Tag bei der Tour de France.

Rúben Silva (CyclingUpToDate)

Alles in allem war es ein eher unspektakulärer Tag – aber das war zu erwarten. TotalEnergies hat dem Rennen heute immerhin ein wenig Ehre erwiesen, im Gegensatz zu Etappe 3, wo praktisch gar nichts passierte. Wirklich erwähnenswert war vor allem das Finale, das für einen Sprintabschnitt durchaus interessant war.
Das Einfahren in die Stadt brachte viele technische Passagen mit sich, was den Kampf um die vorderen Positionen verschärfte. Die letzten Minuten waren geprägt von hoher Nervosität und intensiver Positionskämpfe im Feld.
Der Sprint selbst war erwartungsgemäß chaotisch – nur zwei oder drei Fahrer hatten noch einen echten Anfahrer an ihrer Seite, als es in den letzten Kilometer ging. In so einer Situation können Überraschungen entstehen, doch Jonathan Milan zeigte, warum er der Topfavorit war. Er navigierte geschickt durch die Anfahrerzüge der Konkurrenz und setzte dann einen brutalen Sprint, den niemand kontern konnte.
Wout van Aert überraschte mit einem nahezu perfekten Sprint, antizipierte das Geschehen klug und zog früh – doch selbst er konnte gegen die schiere Wucht des Italieners nichts ausrichten. Milan war heute der verdiente Sieger und holte sich endlich den Erfolg, den man ihm schon seit Tagen zugetraut hatte.

Carlos Silva (CiclismoAtual)

Nach dem brutalen Sturz auf der gestrigen Etappe war es eine echte Erleichterung, João Almeida, Santiago Buitrago, Ben Healy, Enric Mas, Louis Barré und Guillaume Martin heute am Start zu sehen. João Almeida fuhr fast durchgehend am Ende des Pelotons – stets umgeben von seinen Teamkollegen, darunter auch Tadej Pogacar.
Es war ein starkes Zeichen der Team-Einheit – eine stille, aber deutliche Geste. Almeida hat sich durch seine Aufopferung Respekt und Zuneigung im Team erarbeitet, und dieser symbolische Moment zeigte: Wer alles für die Mannschaft gibt, wird in den schwersten Stunden nicht allein gelassen.
Chapeau auch an TotalEnergies, die das monotone Anfangstempo sprengten und mit zwei Fahrern für Bewegung sorgten. Ein wichtiges Signal, das dem Team wichtige Fernsehzeit einbrachte – genau das, was Sponsoren sehen wollen.
Doch dann kommt wieder die alte Kritik auf, die sich Jahr für Jahr wiederholt: Warum muss das Feld in den letzten Kilometern durch enge Innenstädte gejagt werden? Enge Kurven, Verkehrsinseln, verengte Straßen – das pure Chaos in der finalen Phase. Heute gab es glücklicherweise keine schlimmen Stürze, aber muss es erst krachen, damit etwas geändert wird?
Die Organisation scheint hier regelmäßig fahrlässig zu handeln, und der UCI fehlt es an Rückgrat, um die Fahrer konsequent zu schützen. Es braucht endlich klare Grenzen und einen Fokus auf Sicherheit – gerade bei Hochgeschwindigkeitssprints.
Zum Sprint selbst: Der stärkste Fahrer hat heute nicht gewonnen. Vielmehr war es der, der kein Pech hatte, keine Defekte und von der Abwesenheit der großen Namen vorne profitierte. Jonathan Milan holte sich den Sieg – aber überzeugte nicht restlos.
Morgen gibt es eine klarere Ankunft. Vielleicht bekommen wir dann eine Antwort darauf, wer aktuell wirklich der beste Sprinter der Tour ist.

Félix Serna (CyclingUpToDate)

Ich traute meinen Augen kaum, als ich die Profile der heutigen und morgigen Etappen sah. Zwei flache Sprintetappen direkt hintereinander – ausgerechnet am Wochenende, wenn die TV-Quoten am höchsten sind? Das wirkt wie eine verpasste Chance.
Selbst wenn keine Hochgebirgsetappe vorgesehen war, hätte man den Etappen zumindest etwas Würze verleihen können – ein paar kurze Anstiege, Windkanten oder knifflige Finallayouts. So bleibt kaum Spannung für Gelegenheitszuschauer, und viele werden nach einer solch ereignislosen Etappe wohl kaum wieder einschalten.
Das einzig sehenswerte Highlight war Jonathan Milans Sprint, der allerdings alles andere als langweilig war. Ich hätte nicht gedacht, dass er bis zur 8. Etappe warten muss, um seinen ersten Etappensieg bei der Tour zu holen – aber genau diese Leistung kann ihm nun den nötigen Schwung geben, um weitere Siege anzustreben.
Wout van Aert ist endlich im Rennen angekommen. Bis heute war er fast unsichtbar, was Fragen über seine Form aufwarf. Doch sein starker Sprint zum zweiten Platz zeigte, dass man ihn keineswegs abschreiben sollte. Zwar war Milan unerreichbar, aber Kaden Groves war deutlich weiter hinten – Van Aert war also klar der "Best of the Rest".
Ich glaube, Van Aert könnte eine entscheidende Figur in Visma | Lease a Bike’s Taktik gegen Pogacar werden. Er hat bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass er taktisch klug fährt und genau weiß, wie er Vingegaard am besten unterstützt. Sollte er tatsächlich in Form kommen, wird Jonas einen sehr wertvollen Verbündeten an seiner Seite haben.
Was Jordi Meeus betrifft: Ich verstehe Red Bull–Bora's Strategie bislang nicht. Tim Merlier hatte heute Pech mit einem Reifenschaden, aber dass Meeus in den Sprints bisher komplett fehlt, wirft Fragen auf. Heute war es Danny van Poppel, der sprintete – auf Platz 11.
Red Bull–Bora wirkt, als hätten sie eine Mischung aus Ideen ohne klare Priorisierung mitgebracht: Zwei GC-Fahrer (Roglic, Lipowitz), nur einen echten Berghelfer (Vlasov), dazu noch ein Top-Sprinter, der keine Rolle spielt. Diese Art von Teamzusammenstellung wirkt nicht abgestimmt auf die Anforderungen der Tour, wo Effizienz, Rollenverteilung und taktische Klarheit über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.
Fazit: Wenn man das größte Rennen der Welt fährt, braucht es klare Ziele. Wer alles gleichzeitig versucht, endet oft irgendwo im Nirgendwo.
Und Sie? Was denken Sie über die heutigen Geschehnisse? Hinterlassen Sie einen Kommentar und beteiligen Sie sich an der Diskussion!
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