Die Ausgangslage: Ein Trikot fehlt zur Perfektion
Tadej Pogacar hat in seiner jungen, aber schon jetzt legendären Karriere fast alles gewonnen, was es im Radsport zu gewinnen gibt. Bei der
Tour de France trägt er derzeit das Gelbe Trikot des Gesamtführenden und führt auch in der Bergwertung (KOM). Nur das Grüne Trikot des besten Sprinters fehlt ihm noch – der prestigeträchtige Beweis für einen Allrounder, der selbst
Eddy Merckx seit 1969 niemandem mehr gelang.
Vor der 18. Etappe liegt Pogacar 72 Punkte hinter Jonathan Milan, dem aktuellen Träger des Grünen Trikots. Der Slowene hätte noch theoretische Chancen, diese Lücke zu schließen – doch der Weg dorthin ist riskant.
Rowe fordert Pogacar heraus: „Nimm alles mit, was du kannst“
Der frühere INEOS-Profi Luke Rowe macht keinen Hehl daraus, was er von Pogacar fordert: Volle Attacke auf das Grüne Trikot. Rowe kritisiert, dass Pogacar sich auf der 17. Etappe bewusst aus dem Zwischensprint herausgehalten hat, obwohl er ohne großen Kraftaufwand Punkte hätte sammeln können.
Rowe warnt: „Man weiß nie, wann man aufhört zu gewinnen.“ Als Beispiel nennt er Mark Cavendish, der Gelegenheiten verstreichen ließ und später umso härter kämpfen musste, um seine Rekorde zu vollenden. Für Rowe ist klar: Pogacar sollte jede Chance ergreifen, um Geschichte zu schreiben, denn niemand weiß, ob eine solche Gelegenheit je wiederkommt.
McEwen mahnt zur Vorsicht: „Das war nie Teil des Plans“
Auf der anderen Seite steht Robbie McEwen, dreifacher Gewinner des Grünen Trikots. Er hält Pogacars Strategie für absolut richtig. Für ihn zählt einzig der Gesamtsieg – Pogacar kam zur Tour, um das Gelbe Trikot zu gewinnen, und daran sollte er festhalten.
McEwen warnt vor den Risiken, die in Massensprints und Positionskämpfen im Finale lauern: „Man will nicht, dass er sich in solche Situationen bringt, wo ein Sturz ihn das Gelbe Trikot kosten könnte.“ Die UAE Team Emirates bleiben dem ursprünglichen Plan treu und verzichten bewusst auf Experimente.
Zwischen Gier und Vernunft: Was wiegt schwerer?
Die Diskussion um das Grüne Trikot ist sinnbildlich für die Mentalität von Champions. Die eine Fraktion, vertreten durch Rowe, fordert maximale Gier nach Siegen, solange es möglich ist. Die andere Seite, verkörpert durch McEwen, plädiert für taktische Vernunft und Risikominimierung – zumal Pogacar das Grüne Trikot nie explizit im Visier hatte.
Fakt ist: Pogacar führt die Gesamtwertung mit 4:15 Minuten Vorsprung. Er teilt sich zudem die Führung in der Bergwertung mit Lenny Martinez. Das Triple wäre historisch – aber nicht um jeden Preis.
Das Fazit: Geschichte schreiben oder Geschichte sichern?
Tadej Pogacar steht vor einer seltenen Wahl: Sicher den dritten Toursieg einfahren – oder das Risiko gehen, etwas Einmaliges zu vollenden? Die kommenden Etappen werden zeigen, ob Pogacar einen Weg findet, ohne großes Risiko noch Punkte für das Grüne Trikot zu sammeln.
Das Team UAE Emirates wird aber mit Sicherheit kein unnötiges Risiko eingehen. Und doch bleibt die Frage: Wird Pogacar es bereuen, wenn er die Chance nicht ergreift?