Nils Politt kündigt Angriff auf Etappe sieben an: „Die Mûr-de-Bretagne ist auf jeden Fall ein Ziel von uns, da werden wir alles drauf setzen“

Radsport
durch Nic Gayer
Freitag, 11 Juli 2025 um 15:00
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Mit einem Triumph, der an einen klassischen „Pogacar-Move“ erinnerte, holte sich der Ire Ben Healy auf der sechsten Etappe der Tour de France 2025 einen emotionalen und eindrucksvoll herausgefahrenen Tagessieg. Die aktuelle Folge des "Sportschau Tourfunk", gehostet von Moritz Casalette mit Unterstützung von Fabian Wegmann, Holger Gerska und Michael Ostermann, widmet sich detailliert der Etappe, der Taktik der Teams – und der Rückkehr von Mathieu van der Poel ins Gelbe Trikot.

Healy setzt Ausrufezeichen mit Solo über 42 Kilometer

Der Mann des Tages: Ben Healy, der sich mit einer beeindruckenden Soloattacke über 42 Kilometer gegen eine hochkarätige Spitzengruppe durchsetzte. „Er war mit Quinn Simmons einer der aktivsten Fahrer direkt von Beginn an,“ analysierte ARD-Experte Fabian Wegmann. „Nach der Sprintwertung ging es sofort los. Sie waren immer dabei, haben das Tempo gemacht und sich nicht beirren lassen.“
Die entscheidende Szene? Healy nutzte einen Moment der Unaufmerksamkeit vor einem Anstieg, attackierte und fuhr unnachgiebig seinen Rhythmus. „Der ist all-in gegangen, hat sich nicht einmal umgedreht, seine Wattwerte im Blick – und hat einfach sukzessive seinen Vorsprung Sekunde um Sekunde ausgebaut,“ so Wegmann.
Im Interview zeigte sich der 23-jährige Healy tief bewegt:
„Es ist einfach unglaublich. Dafür habe ich nicht nur in diesem Jahr, sondern meine ganze Karriere über gearbeitet. Es ist wirklich unfassbar. So viele Stunden harter Arbeit von so vielen Menschen – es ist ein fantastisches Gefühl, das heute zurückgeben zu können.“
Ein emotionaler Moment, der die Euphorie im Tourfunk-Studio spürbar machte.

Englische Dominanz und taktisches Staunen

Auffällig war die Zusammensetzung der Ausreißergruppe: Kein Franzose, kein Belgier – dafür sechs englischsprachige Fahrer unter den Top-Platzierungen. Für Holger Gerska eine willkommene Abwechslung: „Normalerweise hören wir auf den letzten Kilometern Flämisch oder Slowenisch – heute wurde Englisch gesprochen.“
Auch Michael Ostermann hob hervor, wie außergewöhnlich die Etappe war: „Es war permanent rauf und runter, selbst ohne offizielle Bergwertungen – das hat alle zermürbt. Und wenn selbst ein Mathieu van der Poel von Krämpfen spricht, weiß man, wie hart es war.“

Van der Poel zurück in Gelb – aber am Limit

Mathieu van der Poel ist zurück in Gelb – aber sein Weg dahin war alles andere als souverän. Der Niederländer zeigte ein mutiges Rennen in der Ausreißergruppe, kämpfte sich durch die letzten Anstiege und rettete das Trikot mit nur einer Sekunde Vorsprung vor Tadej Pogacar ins Ziel.
Van der Poel selbst zeigte sich nach dem Rennen ehrlich:
„Der Plan war, in die Ausreißergruppe zu kommen. Es war eine extrem harte Etappe, vom Start an sehr schnell. Ich hatte nicht meinen besten Tag – am Ende habe ich gegen mich selbst gekämpft.“
Dennoch reichte es: „Sicher – es wird wahrscheinlich nur für einen Tag sein, aber es ist ein tolles Gefühl, es wieder zu tragen.“
Fabian Wegmann analysierte nüchtern: „Er ist komplett eingebrochen im letzten Anstieg, hat über anderthalb Minuten verloren. Aber Trikot ist Trikot – auch wenn’s knapp war.“

Pogacar: Gelb verloren – mit voller Absicht?

Dass Tadej Pogacar das Gelbe Trikot kampflos „hergeschenkt“ habe, sei laut den Experten nicht ganz so eindeutig. Zwar erklärte sein Helfer Nils Politt:
„Wir haben gesagt, dass wir eine Gruppe fahren lassen – wir wollten heute keine große Energie investieren. Der Einzige, der gefahren ist, war ich. Dass Van der Poel das Trikot übernimmt, erleichtert uns die Arbeit für die nächsten Tage.“
Außerdem warf er einen Blick auf die heutige Etappe: "Die Mûr-de-Bretagne ist auf jeden Fall ein Ziel von uns, da werden wir alles drauf setzen."
Doch Holger Gerska zweifelte an dieser Version: „Wenn das der Plan war – warum sprintet Pogacar dann wie ein Wilder? Da hätte er auch einfach am Hinterrad von Vingegaard bleiben können.“
Wegmanns Antwort: „Sie wussten es nicht. Niemand konnte genau abschätzen, wie viel Zeit Van der Poel noch verlieren würde.“

Florian Lipowitz meldet sich in der Weltklasse an

Neben dem Etappensieger sorgte ein anderer Fahrer für Aufsehen: Florian Lipowitz. Der 23-Jährige vom Team Red Bull - BORA - hansgrohe fuhr ein erneut starkes Rennen und ließ in der Gesamtwertung einige etablierte Namen hinter sich.
Direkt nach der Etappe gab Lipowitz ein Interview – noch sichtlich außer Atem auf der Rolle:
„Wir sind heute von Anfang an richtig Rennen gefahren. Im letzten Drittel wurde es etwas ruhiger, aber der letzte Berg wurde all-out gefahren. Ich habe alles reingeworfen, aber auf den letzten 200 Metern gingen die Beine zu. Trotzdem: Ich bin sehr zufrieden.“
Auch zur Zusammenarbeit mit Primoz Roglic äußerte er sich:
„Es war klar: Am letzten Berg einfach alles geben und versuchen, dran zu bleiben. Das war unsere Aufgabe heute.“
Dass Lipowitz vor Roglic ins Ziel kam, sei laut Holger Gerska ein starkes Zeichen: „Er nimmt Roglic Zeit ab – auf einem Terrain, das ihm eigentlich nicht liegt. Fahrer wie Almeida, Enric Mas oder auch Roglic – alle verlieren fünf Sekunden auf ihn.“
Die Zeichen stehen auf Durchbruch – auch psychologisch: „Wenn du an einem Tag wie diesem Zeit gutmachst, wo du eigentlich Zeit verlieren solltest – das gibt dir Selbstvertrauen,“ so Gerska weiter.

Etappenausblick: Mur-de-Bretagne – Van der Poels Berg

Morgen steht mit der Mur-de-Bretagne ein Klassiker im Programm. 2021 sorgte Van der Poel dort für einen der emotionalsten Siege seiner Karriere – er trug erstmals das Gelbe Trikot, das seinem Großvater Raymond Poulidor stets verwehrt geblieben war.
Michael Ostermann: „Morgen wird sein neunter Tag im Gelben Trikot – aber damals, als er es zum ersten Mal trug, flossen die Tränen.“
Doch wird es morgen wieder so kommen? Die Experten sind skeptisch. Wegmann: „Er hat heute alles auf der Straße gelassen. Wenn Pogacar morgen gewinnt, holt er automatisch Gelb zurück.“
Holger Gerska glaubt dennoch an Van der Poel: „Mit Bretagne ist nicht so steil wie heute – das liegt ihm besser.“ Aber auch: „Wenn Pogacar von Anfang an hohes Tempo machen lässt, wird es eng.“

Fazit: Eine Etappe mit Symbolkraft – und offenen Fragen

Die sechste Etappe der Tour de France 2025 war mehr als nur ein weiteres Teilstück auf dem Weg nach Paris. Sie offenbarte taktische Finessen, überraschende Wendungen und große Emotionen. Ben Healy holte sich einen verdienten Sieg, Mathieu van der Poel kehrte zurück in Gelb, Florian Lipowitz sammelte weiter Argumente für einen Platz in der Weltklasse – und Tadej Pogacar bleibt trotz Verlust aller Trikots der große Schatten, der über allem schwebt.
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