In einem Interview mit HLN gab Jan Bakelants einen detaillierten Einblick in den Verlauf der diesjährigen
Tour de France und in die Frage, ob das TeamVisma | Lease a Bike eine reelle Chance hat,
Tadej Pogacar am vierten Gelben Trikot zu hindern.
"Auf dem Papier sind die Teams von Pogacar und Vingegaard ebenbürtig", beginnt Bakelants seine Analyse. "Man kann sie fast einzeln aufstellen: Wellens und Benoot sind in den Nebenrollen ebenbürtig, Affini macht im Flachen das, was Politt kann, Almeida und Jorgenson sind die ersten Leutnants, die Yates-Brüder kann man gegeneinander austauschen... Dennoch gebe ich dem TeamUAE den Vorteil: Das Momentum liegt eindeutig bei Pogacar und seinem Team."
Bakelants verweist auf das ruhige Selbstvertrauen, das das UAE Team Emirates ausstrahlt: "Sie fahren mit so viel Selbstvertrauen durch das Feld, verlassen sich immer auf ihre eigene Stärke, und alle scheinen in ausgezeichneter Form zu sein. Viele ihrer Fahrer haben in letzter Zeit auch gewonnen." Almeida ist ein perfektes Beispiel dafür. "Er hat gerade die Tour de Suisse und drei Etappen gewonnen. Es wird für ihn kein Problem sein, bei der Tour für Pogacar zu fahren. Das ist mit vollen Taschen leichter als mit leeren Händen."
Bakelants gibt zu, dass er Bedenken hat, ob Vismas Hauptakteure die gleiche kollektive Herausforderung wie in den vergangenen Jahren bewältigen können. Simon Yates, frisch von seinem Giro-Sieg, ist vielleicht nicht mehr ganz so stark.
"Er hat den Giro gewonnen, aber ich habe ein anderes Gefühl bei ihm. Yates konnte seinen großen Traum so spät in seiner Karriere abhaken, und es ist fast unvermeidlich, dass eine gewisse Dekompression folgt. Das muss doch etwas mit ihm gemacht haben, oder?"
Auch bei anderen Säulen des Teams gibt es Fragen: "Wo ist Sepp Kuss geblieben? Ist er noch der Mann, der er vor zwei, drei Jahren war, als er zu den drei besten Kletterern der Welt gehörte? Und wie gut ist Matteo Jorgenson wirklich? Ich habe nicht den Eindruck, dass man ihn als zweiten Anführer einsetzen kann, wie es bei Primoz Roglic der Fall war. 2022 konnten sich Vingegaard und Roglic zusammentun und Pogacar in den Schraubstock nehmen, und es gelang ihnen, ihn zu knacken, aber bei Jorgenson sehe ich das nicht."
Sorgen bereitet Visma auch der Zustand von Wout van Aert, der erneut einen Rückschlag erlitten hat: "Leider hat auch Wout van Aert wieder mit Pech zu kämpfen. Das Magenproblem, das er hatte, war echt: Er kam extra für die nationalen Meisterschaften aus der Höhe zurück, weil er eine Chance auf einen neuen Titel sah."
Diese Enttäuschung, so Bakelants, sei "eine weitere Enttäuschung", und er ist sich auch über die Form von
Tiesj Benoot unsicher. "Ich weiß auch nicht, wo Tiesj Benoot steht. Er sollte in der Schweiz um die Gesamtwertung fahren, aber das ist wegen eines Sturzes nicht passiert. Wie gut ist er jetzt?"
Das Alter könnte auch einige der erfahrenen Visma-Mitglieder einholen: "Die Fahrer von Visma | Lease a Bike werden immer älter. Van Aert, Benoot, Campenaerts, Kuss, Yates: Sie sind alle über 30. Sie sind immer noch sehr gute Fahrer, keine Frage, aber sie werden nicht mehr besser werden. Es ist wie beim Wein: Sie nähern sich dem Ende ihres Trinkfensters. Ab einem bestimmten Punkt ist der Wein immer noch genießbar, aber er wird nicht mehr besser, und schließlich wird er schlechter."
Im Gegensatz dazu scheinen die VAE eine ausgewogenere Mischung aus Jugend und Erfahrung zu haben: "Aber bei den VAE ist Almeida mit seinen 26 Jahren ein Teenager. Sivakovis ist 27, Narvaez 28: diese Jungs sind in der Blüte ihrer Karriere. Natürlich haben sie auch einige ältere Fahrer, Wellens, Soler, Yates, aber die Mischung ist gesünder."
Für Bakelants deutet alles auf eine klare Schlussfolgerung hin: "Sie wissen auch, dass, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, eine achtzigprozentige Chance besteht, dass Pogacar die Tour erneut gewinnt. Vor zwei Jahren war er noch schlagbar, aber jetzt sieht die Welt anders aus.
"Pogacar hat es geschafft, ohne körperliche Rückschläge weiterzubauen. Er konnte Monat für Monat auf einen guten Vormonat aufbauen. Es ist wie bei der Bank: Man hat Kapital, das Zinsen bringt, aber man bekommt auch Zinsen auf diese Zinsen. Das ist Gewinn auf Gewinn."