Der Giro d’Italia ist in vollem Gange – und dennoch ist der Fahrer, der bislang am meisten attackierte, aktuell weit vom Podium entfernt. Auf der 15. Etappe, die über den legendären Monte Grappa führte, versuchte INEOS Grenadiers erneut, das Rennen um das Maglia Rosa zu beleben. Doch das Team traf auf einen ultrakonservativen Ansatz von UAE Team Emirates – eine Taktik, die für sichtbaren Unmut sorgte.
Mehr als 90 Kilometer vor dem finalen Anstieg setzte
Egan Bernal nach intensiver Vorarbeit seiner Teamkollegen zur Attacke an. Ihm schlossen sich Isaac del Toro, später Richard Carapaz, Thymen Arensman und Derek Gee an. Doch von echter Zusammenarbeit war wenig zu sehen.
„Wir haben nur kurz zusammengearbeitet, aber es sah so aus, als ob die andere Gruppe brutal gefahren ist. Ich hatte das Gefühl, ich falle wie ein Stein die Abfahrt hinunter – hatte sogar etwas Angst“, sagte Bernal gegenüber Cyclingnews. Die Tempoverschärfung brachte jedoch keinen echten Durchbruch, auch weil Del Toro sich weigerte, Führungsarbeit zu leisten. UAE kontrollierte das Geschehen im Hintergrund mit einer Überzahl von Fahrern, um Juan Ayuso wieder an die Spitze heranzuführen – eine Taktik, die sie auch im Finale erneut durchzogen.
Während Arensman seine Frustration während der Live-Übertragung kaum verbergen konnte, reagierte Bernal eher mit Unverständnis: „Ich habe keine Ahnung, was sie da gemacht haben. Es war ein bisschen seltsam, aber sie werden schon ihre Gründe haben.“
Letztlich sorgte die kräftezehrende Etappe jedoch dafür, dass Primoz Roglic am letzten Anstieg einbrach. Das eröffnete Bernal und Arensman die Chance, sich in die Top 10 der Gesamtwertung zu schieben. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was mit Roglic los war. Der letzte Anstieg war nicht extrem steil, aber einer dieser Abschnitte, auf denen man viel Zeit verlieren kann, wenn man einmal einbricht. Ich hatte selbst Mühe, auf den letzten Metern das Tempo der Top-Leute mitzugehen, aber insgesamt haben wir einen guten Job gemacht. Wir sind Team INEOS – wir müssen etwas unternehmen.“
INEOS präsentiert sich bei diesem Giro angriffslustig, besonders dank eines wiedererstarkten Egan Bernal. Der Kolumbianer genießt es, endlich wieder schmerzfrei auf dem Rad zu sitzen – ein Gefühl, das er seit Jahren nicht mehr kannte.
„Seit meiner Kindheit hatte ich Rückenprobleme, aber seit der Operation im letzten Jahr – bei der ein Leistenbruch entfernt wurde – kann ich das Radfahren wieder genießen. Es ist meine erste Grand Tour ohne Schmerzen“, so der 28-Jährige.
„Nach drei Jahren, in denen ich ständig im Gruppetto gelandet bin, kann ich nun aktiv ins Renngeschehen eingreifen und meinem Team wirklich helfen. Ich bin einfach nur glücklich, zurück zu sein. Und auch wenn wir das Endergebnis noch nicht kennen, denke ich, dass mir dieses Rennen einen großen Schub für die Zukunft geben wird.“