"Ich gehe nicht nach Hause" – Stephen Roche über 1987, Pogacar und seinen inneren Kampf gegen Italien

Radsport
durch Nic Gayer
Dienstag, 01 Juli 2025 um 15:45
roche tdf 1987
Stephen Roche, der 1987 das legendäre Triple – Giro d’Italia, Tour de France und Weltmeisterschaft – gewann, hat in einem ausführlichen Gespräch mit Bradley Wiggins und Graham Willgoss in Sir Brad’s Café über Ruhm, Kontroversen und seine eigene mentale und physische Belastungsgrenze gesprochen. Die Begegnung ist ein eindrucksvolles Zeugnis über eine der bemerkenswertesten Saisons in der Geschichte des Radsports – und ein Blick auf die Schattenseiten dieses Erfolgs.

Pogacar, Merckx, Roche – ein historisches Selfie

Zu Beginn sprach Roche über das mittlerweile ikonische Foto mit Tadej Pogacar, das 2024 entstand, nachdem dieser ebenfalls das Triple gewonnen hatte. „Ich sagte zu Mario Gianetti, seinem Manager: 'Mario, Mario, wie wäre es, wenn wir ein Foto von mir und Pog zusammen machen würden?'... Wir machten ein paar Fotos, ein paar Selfies, und ob Sie es glauben oder nicht, diese Selfies gingen um die Welt.“

Giro 1987 – Die Revolte gegen Visentini

Der Giro d’Italia 1987 war das dramatische Herzstück der Saison – und begann mit einem Affront: Roche attackierte seinen eigenen Kapitän Roberto Visentini. Die Reaktionen waren extrem.
„Die Leute nahmen Reis in den Mund und als ich vorbeikam, etwas Rotwein und spuckten ihn mir entgegen“, erinnert sich Roche. „Am Start und im Ziel war ich geschützt – aus Angst, jemand würde mein Rad sabotieren.“
Als Visentini im Rosa Trikot fuhr, wagte Roche einen riskanten Angriff. Als ihn der Teamwagen einholte, folgte ein scharfer Austausch:
„Ich sagte: 'Okay, geh einfach zurück und sag Roberto, dass ich aufhöre, wenn er aufhört. Aber solange er fährt, fahre ich – und ich werde jetzt noch härter fahren. It’s war.’“
Visentinis Rache ließ nicht lange auf sich warten. Roche erinnert sich:
„Er brachte mich in Richtung Schlucht... also legte ich meine Hand auf seinen Lenker. Ich sagte: 'Roberto, wenn ich gehe, kommst du mit mir.'“
Der Druck wurde so groß, dass Roche eines Nachts sogar von der Polizei abgeführt wurde. In seiner Not sprach er durch das Fenster mit einem Journalisten:
„Ich sagte: 'Angelo, Angelo, komm her, ich will dir meine Geschichte erzählen.'“ Doch die Antwort war ernüchternd: „Wenn du den morgigen Tag überlebst, garantiere ich dir einen guten Artikel.“
Er überlebte – und gewann den Giro.

Tour de France – Legende an der Grenze

Bei der Tour de France wurde Roche zur Legende, insbesondere am Anstieg nach La Plagne. Dort fuhr er sich ins Koma-nahe Delirium, um den Rückstand auf Pedro Delgado zu begrenzen:
„Ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte meine Augen bewegen, aber ich konnte nicht sprechen... Der Arzt sagte: 'Stephen, bewegen Sie Ihre Beine, die Autos kommen sehr nahe.’“
Tags darauf revanchierte sich Roche psychologisch:
„Ich machte 18 Sekunden auf Pedro gut. Für mich war das, als würde ich seinen Sarg zunageln.“
Roche betont, dass die psychologische Wirkung entscheidend war:
„Wenn er an einem Tag sieht, wie ich im Krankenwagen liege, und ich ihm am nächsten Tag eine Sekunde abnehme, denkt er: 'Dieser Typ ist unmenschlich.'“

Beinahe-Konditor statt Radsport-Ikone

Nach der Karriere hätte Roche fast eine Konditorei eröffnet – das Vorhaben scheiterte kurios:
„Ich wusste es nicht, aber die Jungs haben sich davor gedrückt, ihre Steuern zu zahlen... die Polizei hat unser Projekt gestoppt, bevor wir zu weit kamen.“
Stephen Roche bleibt eine der eindrucksvollsten Figuren des modernen Radsports. Seine Offenheit, sein innerer Kampf gegen Gegner und Umfeld, aber auch seine taktische Brillanz machen seine Geschichte zu einer der ganz großen im Peloton.
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