Der 36-jährige Belgier
Tim Declercq hat offiziell das Ende seiner Profikarriere bekanntgegeben. Nach mehreren Jahren als unverzichtbarer Domestike – erst bei Quick-Step, zuletzt bei
Lidl-Trek – geht eine Ära zu Ende. Der Rücktritt kommt nach der Entscheidung seines Teams, seinen Vertrag nicht zu verlängern. Ursprünglich war Declercq eine Verlängerung angeboten worden, doch der Sponsor drängte auf eine Kaderumstrukturierung, wodurch der Plan hinfällig wurde.
Ein Leben als Domestike: Loyalität und harte Arbeit
Declercq, oft als „El Tractor“ bezeichnet, war bekannt für seine unermüdliche Arbeit an der Spitze des Pelotons. Über mehr als ein Jahrzehnt hat er Teamleader unterstützt, Kilometer gemacht, Tempo vorgegeben und Rennen kontrolliert. „Ich erreiche immer noch dieselben Ergebnisse wie in meinen besten Jahren, aber wenn das durchschnittliche Niveau steigt, fällt man trotzdem zurück“, reflektiert er über die Herausforderungen eines immer stärker werdenden Profi-Pelotons.
Familie vs. Karriere: Das ultimative Gleichgewicht
Ein entscheidender Faktor für seinen Rücktritt ist das Leben abseits des Fahrrads. „Man verpasst so viel. Wenn meine Tochter in einem Tanzcamp ist, bin ich am letzten Tag nicht bei der Aufführung, und das ist etwas, das ich nie wieder zurückbekomme“, erklärt Declercq im Gespräch mit Het Nieuwsblad. Als Vater von zwei Kindern sei es zunehmend schwer, das intensive Training und die zahlreichen Rennen mit dem Familienleben in Einklang zu bringen.
Er beschreibt den Nachteil erfahrener Fahrer im Vergleich zu jungen Profis, die keine familiären Verpflichtungen haben: „Das Ergebnis ist, dass diese Jungs ein noch nie dagewesenes Niveau erreichen.“ Für Declercq wurde klar, dass persönliche Prioritäten stärker wiegen als sportliche Ambitionen.
Risiko und Sicherheit: Eine neue Perspektive
Declercq thematisiert auch die Gefahren des Profi-Radsports. „Ich traue mich nicht mehr, die Risiken einzugehen, die ich früher eingegangen bin. Die Gefahr spielt in meinem Leben eine große Rolle, und das kann man nicht, wenn man Angst hat.“ Besonders als Elternteil wachse das Bewusstsein für Risiken, die man früher vielleicht ignoriert hätte.
Er kritisiert zudem das Verhalten mancher Kollegen, die ihrer Meinung nach unnötige Risiken für andere Fahrer verursachen. „Matej Mohorič ist ein Fahrer, der – wie alle anderen auch – versucht, so ökonomisch wie möglich zu fahren. Aber er tut das, indem er in den Kurven so spät wie möglich bremst und alle anderen abschneidet. Das verursacht Stürze. Nicht seine eigenen, sondern die der Fahrer hinter ihm.“
Blick in die Zukunft
Auch über die persönliche Zukunft denkt Declercq nach: „Ich habe mich bereits gefragt: ‚Werden meine Kinder später Rennen fahren dürfen? Ich werde sie nicht aktiv ermutigen.‘ Der Radsport ist eine wunderbare Sportart, bei der man viel über Disziplin, Teamgeist und den Menschen lernt. Aber als Elternteil betrachtet man ihn aus einem ganz anderen Blickwinkel.“
Sein Rücktritt markiert das Ende einer bemerkenswerten Karriere, die von Hingabe, Loyalität und dem ständigen Spagat zwischen Profisport und Familienleben geprägt war. Tim Declercq verlässt das WorldTour-Peloton mit einem klaren Blick auf das, was ihm wirklich wichtig ist: die Familie, die eigene Sicherheit und die Freiheit, das Leben abseits des Radsports zu genießen.