Familie vs. Freiheit? Belgischer Experte erklärt den Unterschied zwischen Van Aert und Van der Poel

Radsport
Mittwoch, 26 November 2025 um 18:30
mathieuvanderpoel-woutvanaert
Seit Jahren prägen Wout van Aert und Mathieu van der Poel den modernen Radsport. Zwei Rivalen auf höchstem Niveau, beide in der Lage, Rennen nach Belieben zu prägen oder zu sprengen. Während Van Aert als einer der komplettesten Fahrer des Pelotons gilt, gingen die größten Eintageserfolge in den vergangenen Jahren auffallend oft an Van der Poel.
Aus Sicht des belgischen Experten José De Cauwer liegt dafür eine besondere – und durchaus heikle – Erklärung vor.

Eine Trennung, geprägt vom Lebensstil

Im Podcast De Grote Plaat argumentierte De Cauwer, dass die heutige Kultur im Profiradsport an der absoluten Spitze kaum noch Raum für ein klassisches Familienleben lasse.
Die fortschreitende Professionalisierung habe ein Umfeld geschaffen, in dem Kinder für einen Radprofi beinahe als Nachteil gelten. Wörtlich sagte er: „Wir sind an dem Punkt angekommen, an dem Kinder im Profisport als Bürde bezeichnet werden. Man sagt, es sei besser, keine zu haben. Und ja, Kinder können dich krank machen.“
Den Vergleich zwischen Van der Poel und Van Aert zieht De Cauwer direkt: „Auch das gehört zur Geschichte, denn Mathieu lebt ständig unbeschwert in Spanien.“
De Cauwers Fazit: Zwischen den beiden Stars besteht ein klarer Unterschied darin, wie sie ihr Leben organisieren – und dieser Kontrast könne sich letztlich auch auf ihre Leistungsfähigkeit auswirken.

Wir müssen wirklich bei den Jugendlichen aufpassen

De Cauwers Warnung reicht jedoch weit über Van Aert und Van der Poel hinaus. Der Belgier fürchtet, dass dieselbe Denkweise junge Fahrer verbrennt, lange bevor sie ihr sportliches Optimum erreichen.
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„Wir müssen bei den Jugendlichen wirklich aufpassen. In Belgien hatten wir hochtalentierte Junioren und U23-Fahrer, die aufgehört haben. Ernährungsberater und Coaches haben zu viel Einfluss, der Fokus liegt zu selten auf dem Rennen selbst“, sagte De Cauwer. „Die Teams und Organisationen müssen begreifen, dass Radsport für die Fahrer auch etwas Emotionales ist.“
Aus seiner Sicht liegt das Kernproblem daher nicht allein in Trainingsplänen, Leistungsdaten oder Rennprogrammen – sondern im schleichenden Verlust von Freude, Leichtigkeit und Persönlichkeit im modernen Profiradsport.

Der Kopf muss zur Ruhe kommen, um Resultate zu bringen

Um zu verdeutlichen, dass Balance weiterhin ein entscheidender Faktor ist, verwies De Cauwer auf Thymen Arensman. Der Niederländer habe 2025 seinen Ansatz radikal geändert – und wurde mit zwei Etappensiegen bei der Tour de France belohnt. „Der Kopf muss zur Ruhe kommen, um am Ende Resultate zu bringen“, sagte De Cauwer. „Und genau das ist aus meiner Sicht die Geschichte von Arensman.“
Diese Entwicklung verknüpfte er auch mit prominenten Namen, die früher als erwartet aus dem Profiradsport ausgestiegen sind. Als Beispiel nannte er Ide Schelling, bevor er zu einem früheren Grand-Tour-Sieger überleitete:
„Ich habe euren Podcast mit Ide Schelling gehört – das finde ich schade. Radfahren ist weiterhin seine Leidenschaft, aber nicht mehr als Profi. Oder nehmen wir Tom Dumoulin: Er hat sechs, sieben Millionen Euro liegen lassen, weil er drei oder vier Jahre zu früh aufgehört hat. Dieses Geld wird er nie wieder verdienen.“

Rennen sind viel zu schwer geworden

Zum Abschluss richtete De Cauwer eine grundsätzliche Warnung an den Weltverband UCI. Die stetig wachsende Rennhärte treibe die Fahrer immer näher an ihre physischen und mentalen Grenzen.
„Bleibt im Leben. Auch die UCI trägt Verantwortung für die Gesundheit und die Arbeitskultur der Fahrer. Etappen der Tour de France mit 5.400 Höhenmetern sind schlicht zu viel. Die Rennen sind insgesamt zu hart geworden“, sagte De Cauwer. „Der Verband muss den Grand Tours einen klaren Rahmen geben, damit überhaupt noch ein breiteres Spektrum an Fahrertypen am Start stehen kann.“
Von der Rivalität zwischen Van der Poel und Van Aert bis hin zu den Entscheidungen junger Profis zieht sich De Cauw­ers Botschaft wie ein roter Faden durch seine Analyse: Der moderne Radsport verlangt immer mehr – und irgendwann wird etwas, oder jemand, daran zerbrechen.
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