Tadej Pogacar bleibt trotz vier Tour-de-France-Siegen, Monument-Erfolgen und dem Regenbogentrikot bemerkenswert bodenständig. Wer einen Eindruck von seinem Ruhm gewinnen wollte, musste am Wochenende nur nach Komenda reisen.
„Es war unwirklich“,
schilderte Matteo Trentin im Gespräch mit Bici.Pro. „Ich habe kaum mit ihm gesprochen – nicht, weil er sich versteckt hätte, sondern weil er von Fans umringt war. 800.000 Autogramme, 500.000 Selfies – so fühlt sich Radsport an. Wo sonst kann man seinen Helden so nahe kommen, und das auch noch kostenlos?“
Ein Rennen und ein Fest
Die siebte Auflage des Pogacar-Kriteriums wurde wegen der Tour verschoben und verwandelte sich in eine doppelte Feier: Pogacars vierter Toursieg und sein erster Triumph im Weltmeistertrikot. Das beschauliche Komenda, nördlich von Ljubljana, verwandelte sich in ein Radsport-Mekka.
Ab dem Nachmittag starteten die Nachwuchsklassen: U15, U17, Junioren, Elite Frauen – bevor bei Sonnenuntergang die Profis an der Reihe waren. Neben Pogacar und Trentin rollten auch Matej Mohoric, Luka Mezgec, Matevz Govekar sowie Tim Wellens und Pavel Sivakov (UAE Team Emirates – XRG) an den Start. Dazu kamen Continental-Teams wie Adria Mobil.
„Wir haben von der ersten Runde an Vollgas gegeben“, so Trentin. „Junioren und Conti-Fahrer legten ein Höllentempo vor. Die ersten 15 Runden waren wir am Limit – hart, chaotisch, so wie es sich für ein richtiges Rennen gehört.“
Der ein Kilometer lange Rundkurs führte über den Stadtplatz, vorbei an einer Kirche und endete auf einem kurzen Anstieg. „Klein, aber großartig“, meinte Trentin. „Bei Sonnenuntergang fuhr man ins Ziel – die Sonne stand direkt im Gesicht. Man sah fast nichts mehr.“
Grassroots trifft global
Neben sportlichen Highlights überzeugte vor allem die Nähe zwischen Fans und Profis. Tausende säumten die Absperrungen, reisten aus ganz Slowenien und dem Ausland an – sogar Urlauber aus Kroatien machten Umwege. „Das ist der Zauber des Radsports“, schwärmte Trentin. „Wo sonst sieht man den Tour-Sieger oder Weltmeister einen Meter entfernt – und bekommt vielleicht noch ein High Five? Im Fußball oder der Formel 1 ist das undenkbar.“
Trotz des Volksfestcharakters war das Rennen kein lockerer Schaulauf. Trentin, der wegen privater Gründe erst spät ankam, musste sein Training auf dem Weg nachholen: „Das war gut so. Denn ab dem Startschuss konnte man sich nicht verstecken.“
Nach dem Rennen folgte entspannte Nachsaison-Stimmung. Auf dem Podium noch voller Adrenalin, saßen Profis und Amateure kurz darauf bei Bier zusammen, Familien trafen sich wieder, und das World-Tour-Feld spazierte gemeinsam ins Hotel zurück.
Pogacar entspannt, nicht abgehoben
Für Trentin, mittlerweile bei Tudor Pro Cycling, war besonders bemerkenswert, wie gelassen Pogacar wirkte. Nur wenige Wochen nach einer intensiven Tour – körperlich wie mental – erschien er erfrischt.
„Immer noch derselbe Tadej. Ruhig, lächelnd, entspannt. Er sah glücklich aus, dort zu sein und den Fans etwas zurückzugeben. Er hat es nicht als Pflicht gesehen – er hat es genossen.“
Pogacar startet am 12. September beim Grand Prix Cycliste de Montréal wieder offiziell ins Renngeschehen, Trentin bei den Hamburg Cyclassics. Doch für beide war Komenda mehr als ein Kriterium: Es war eine Rückkehr zu den Wurzeln – und eine Erinnerung daran, warum sie den Radsport lieben.
„Es war ein schönes Chaos“, lachte Trentin. „Genau das hat es großartig gemacht.“