DISKUSSION Tour de Suisse Etappe 8 | Ist Joao Almeida der beste Edelhelfer der Welt?

Radsport
Sonntag, 22 Juni 2025 um 21:30
suisse
Die letzte Etappe der Tour de Suisse bot ein brutales Bergzeitfahren: 10 Kilometer lang, davon 9 mit einer durchschnittlichen Steigung von 9 %. Viele betrachteten diese Etappe als die Königsetappe, da unter den Gesamtklassement-Favoriten große Zeitabstände erwartet wurden – und genau das trat ein.
Für die erste Überraschung des Tages sorgte Harry Sweeny. Er präsentierte sich in herausragender Form und setzte früh die Bestzeit. Diese konnte lange Zeit niemand unterbieten – auch nicht Pello Bilbao oder Antonio Morgado, die 33 bzw. 47 Sekunden hinter Sweeny ins Ziel kamen.
Dann kamen die Klassementfahrer ins Spiel: Ben O’Connor, Ilan van Wilder und Lennard Kämna versuchten ihr Glück, scheiterten jedoch an Sweenys Marke. Felix Gall legte später ein beeindruckendes Zeitfahren hin und pulverisierte die bis dahin führende Zeit mit 1:27 Minuten Vorsprung. Doch seine Freude währte nur kurz – João Almeida übertraf ihn noch einmal, sicherte sich sowohl den Etappensieg als auch den Gesamtsieg.
Kevin Vauquelin beendete die Etappe auf dem vierten Platz. Er schlug sich am Berg zwar beachtlich, konnte Almeidas Gesamtsieg jedoch nicht verhindern – Almeidas dritter Rundfahrtsieg im Jahr 2025.
Nach dem Rennen baten wir einige unserer Redakteure, ihre Gedanken und wichtigsten Erkenntnisse zum heutigen Rennausgang zu teilen.

Víctor LF (CiclismoAlDía)

Joao Almeida erfüllte die Erwartungen – und beeindruckte dabei keineswegs weniger. Die drei Minuten Rückstand, die er sich in der ersten Etappe einhandelte, sorgten für eine spannende und knappe Tour de Suisse 2025 bis zum Schluss.
Glückwunsch an Oscar Onley, der aufs Podium fuhr und damit sein bestes Ergebnis bei einer Rundfahrt erzielte. Ebenfalls Respekt an Kévin Vauquelin, der so lange wie möglich mithielt, doch Almeida war einfach zu stark. Und aufgepasst bei Felix Gall, der von Rennen zu Rennen stärker wurde und bei der nächsten Tour de France ein ernsthafter Podiumskandidat sein könnte.
Für unser Movistar Team verlor Pablo Castrillo zwar einen Platz, schloss aber dennoch in den Top 10 eines der prestigeträchtigsten Rennen im Radsportkalender ab. Will Barta kam dank seines spektakulären Zeitfahrens, bei dem er den achten Platz belegte, der Top 10 ebenfalls sehr nah.

Ivan Silva (CiclismoAtual)

Da ist sie also – die Comeback-Leistung, auf die wir alle gewartet haben. João Almeida war während des gesamten Rennens der stärkste Fahrer und hat die Tour de Suisse mehr als verdient gewonnen. Unglaubliche Leistung von Kévin Vauquelin, der bis zur letzten Minute für Spannung sorgte und sich einen großen Kampf lieferte – dafür Respekt. Doch heute gehört der Tag Joao Almeida. Eine historische Saison für den Portugiesen, der nach Siegen im Baskenland und der Romandie nun auch die Schweiz für sich entscheiden konnte und zweifellos zu den besten Fahrern der Welt zählt.

Jorge P. Borreguero (CiclismoAlDía)

Joao Almeidas beeindruckende Bergzeitfahrt hat seinen Status als einer der besten Kletterer der Welt – wenn das überhaupt noch möglich ist – weiter gefestigt. Er gewann drei Etappen in einem Rennen, das er komplett dominierte.
Momentan besteht kein Zweifel daran, dass Almeida hinter Tadej Pogacar der Fahrer des Jahres ist. Itzulia, Tour de Romandie und Tour de Suisse in kurzer Folge zu gewinnen, ist keine kleine Leistung – und er hat es mit Leichtigkeit geschafft.
Diese Nachricht ist unschlagbar für die Tour de France und Pogacar. Mit Almeida an seiner Seite und in dieser Form wird es für den Slowenen sehr schwer, seinen vierten Gesamtsieg bei der Grande Boucle zu verpassen. In Visma wächst die Sorge, und falls nicht, dann, weil sie wohl noch nicht realisiert haben, was João Almeida gerade leistet.

Rúben Silva (CyclingUpToDate)

Ein verdienter und erwarteter Sieg für Almeida. Der stärkste Kletterer im Rennen nutzte seine gute Form optimal, gewann drei Etappen und schrieb Geschichte als einer der ersten Fahrer, die drei der „Big 7“ Ein-Wochen-Rennen im Kalender gewinnen konnten. Sein Sieg heute war vorhersehbar, und auch wenn Kevin Vauquelin meiner Meinung nach eine starke Zeitfahrt zeigte, war das hier ein Test der Watt pro Kilogramm – physisch geht eben nicht mehr.
Das Top-4-Ergebnis entsprach genau den Erwartungen: Felix Gall nutzte seinen Status als reiner Kletterer voll aus und sprang fast direkt aufs Podium mit einem starken zweiten Platz an diesem Tag. Oscar Onley verteidigte sich clever und überholte komfortabel den erwartungsgemäß schwächeren (und nicht kletterstarken) Alaphilippe. Und schließlich Vauquelin, der zwar kein Weltklasse-Kletterer ist, aber durch Konstanz, Taktik und Qualität auf allen Anstiegen einen beeindruckenden zweiten Gesamtrang erringen konnte.
Es war ein Genuss, ein Rennen von so hohem Niveau zu sehen, das so intensiv und mit so vielen Siegkandidaten ausgetragen wurde – vor allem mit so vielen aggressiv gefahrenen Bergetappen. Das setzt die Messlatte für die Tour de France – jetzt wird spannend zu beobachten sein, wie sich diese Fahrer gegen die Konkurrenz aus dem Dauphiné behaupten.

Pascal Michiels (RadsportAktuell)

Während Fußball tief in der portugiesischen Identität verwurzelt ist, stellt die Entwicklung zum Weltklasse-Radsportler wie João Almeida eine ganz andere Herausforderung dar. Doch einmal mehr bewies Almeida, dass auch ein Fahrer von der Atlantikküste aus Gelände meistern kann, das sonst alpinen Spezialisten vorbehalten ist. Im heutigen Bergzeitfahren dominierte Felix Gall – der praktisch in den österreichischen Alpen aufgewachsen ist – das Feld und zeigte sein volles Klettertalent.
Dann kam João Almeida. Er war nicht nur gleichauf mit Gall, sondern pulverisierte dessen Zeit um fast eine halbe Minute und setzte damit ein deutliches Ausrufezeichen. Kevin Vauquelin, der dritte Anwärter in diesem packenden Finale, gab alles, doch Almeida ließ keinen Zweifel an seiner Überlegenheit.
Mit dieser eindrucksvollen Vorstellung sicherte sich Almeida den Gesamtsieg bei der Tour de Suisse 2025 und festigte seinen Ruf als einer der besten Rundfahrtspezialisten der Welt. Noch wichtiger: Er brachte den portugiesischen Radsport zurück ins weltweite Rampenlicht.

Félix Serna (CyclingUpToDate)

Parabéns, João! Du hast es geschafft. Der Portugiese holt sich in nur zwei Monaten seinen dritten Gesamtsieg bei einer einwöchigen WorldTour-Rundfahrt. Kein anderer Fahrer aus den "Big Six“ hat das bisher geschafft – nicht einmal Pogacar!
Man muss seine Rolle im Peloton neu bewerten: Für mich ist Joao Almeida einer der zuverlässigsten Fahrer überhaupt. Ein Blick auf seine bisherigen Leistungen in diesem Jahr zeigt das deutlich. Er gewann drei Gesamtwertungen in Folge (Tour de Suisse, Tour de Romandie und Itzulia) und fuhr zudem 6. bei Paris-Nice, 2. bei der Volta Algarve und 2. bei der Volta a la Comunitat Valenciana ein.
Aktuell gibt es wohl keinen anderen Fahrer, der so beständig auf Top-Niveau performt – abgesehen von Pogacar natürlich. Und glücklicherweise, oder auch nicht, fährt er im selben Team wie der slowenische Superstar. Das bedeutet, dass er öfter auch die Rolle des Helfers übernehmen muss.
Das UAE-Team ist bekannt für fragwürdige taktische Entscheidungen, sei es beim Giro d’Italia mit Juan Ayuso und Isaac del Toro oder hier bei der Tour de Suisse mit Jan Christen. Viele Talente, aber auch viele Egos im Team. Genau deshalb braucht UAE jemanden wie João Almeida.
Wenn er Leader ist, liefert er Spitzenleistungen ab. Als Helfer akzeptiert er seine Rolle und fährt für den Erfolg des Teams – genau das, was Pogacar und das UAE-Team brauchen. Also frage ich mich: Ist João Almeida vielleicht der beste Helfer der Welt? Für mich ganz klar: Ja.
Ein Lob auch an Kévin Vauquelin. Der Franzose war bisher eher als starker Puncheur bekannt, mit gutem Speed und der Fähigkeit, Etappen in verschiedenen Szenarien zu gewinnen. Was ich aber nicht wusste: Wie gut er klettern kann, wenn er sich voll darauf konzentriert. Er wurde Zweiter, schlug starke Kletterer wie Oscar Onley und Felix Gall und zeigte kaum Schwächen in den Bergetappen.
Schon nach der ersten Etappe hatte er eine komfortable Führung vor einigen GC-Konkurrenten, und auf den härtesten Anstiegen hielt er durch. Hut ab vor dem Franzosen – ich wäre nicht überrascht, wenn er nächstes Jahr nicht mehr in den Farben von Arkéa fährt.
Was die Franzosen angeht, ist Alaphilippe für mich die größte Enttäuschung des Rennens. Ich hatte erwartet, dass er um das Podium kämpft, aber sein Zeitfahren am Berg zur Stockhütte war von Anfang an zu viel für ihn. Ich freue mich trotzdem auf seinen nächsten Auftritt bei der Tour de France – da wird er sicher wieder für besondere Momente sorgen.
Und dann noch Harry Sweeny: Der EF-Fahrer war heute nicht als Favorit fürs Zeitfahren gehandelt worden. Doch er war von Beginn an kaum zu schlagen. Sein bisher bestes Zeitfahrresultat war der neunte Platz bei der letzten Vuelta-Etappe 2024 – damals ein überwiegend flaches Zeitfahren. Bergzeitfahren lagen ihm bislang nicht so. Gut gemacht, Australien! Auf solche Fahrer müssen wir in Zukunft bei ähnlichen Etappen achten.
Und du? Wie hast du den Tag erlebt? Schreib uns deine Meinung und mach mit in der Diskussion!
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