DISKUSSION Tour de France Etappe 14 | Remco raus – rückt Florian Lipowitz jetzt fest aufs Podium?

Radsport
Samstag, 19 Juli 2025 um 22:00
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Die 14. Etappe der Tour de France konnte mit Fug und Recht als Königsetappe bezeichnet werden – und sie hielt, was sie versprach. Eine hochkarätige Ausreißergruppe formierte sich spät im Rennen, mit prominenten Namen wie Simon Yates, Carlos Rodríguez, Enric Mas, Thymen Arensman und Lenny Martinez.
Ursprünglich schien der Tag auf einen Sprint der Favoritengruppe hinauszulaufen. Das UAE Team Emirates übernahm früh das Kommando im Peloton, allen voran Nils Politt. Der Deutsche leistete Schwerstarbeit, fuhr fast 100 Kilometer an der Spitze des Feldes und sorgte mit einem konstant hohen Tempo für eine Selektion im Hauptfeld.
Doch genau dieses Tempo wurde Remco Evenepoel offenbar zum Verhängnis. Der belgische Starfahrer kämpfte bereits am Col du Tourmalet, dem ersten großen Anstieg des Tages, schwer – und musste das Rennen schließlich aufgeben. Ob Krankheit oder ein körperlicher Einbruch die Ursache war, ist bislang unklar. Für das Rennen ist sein Ausstieg jedenfalls ein harter Schlag.
Thymen Arensman hingegen erwischte den Tag seines Lebens. 37 Kilometer vor dem Ziel griff er entschlossen an und ließ seine Begleiter hinter sich. Der Niederländer krönte seine Solofahrt mit dem bislang größten Sieg seiner Karriere.
Im Kampf um Gelb lieferten sich Tadej Pogačar und Jonas Vingegaard das erwartet enge Duell. Der Däne attackierte zweimal am Schlussanstieg, doch der Slowene ließ sich nicht abschütteln und konterte beide Versuche souverän. Dass Pogačar am Ende nicht den Etappensieg holte, kam für viele dennoch überraschend – galt er doch als klarer Favorit.
Nach einem denkwürdigen Tag haben wir einige unserer Redakteure gebeten, ihre Eindrücke und wichtigsten Erkenntnisse zur Etappe zu teilen.

Pascal Michiels (RadsportAktuell)

Heute wurde eines unmissverständlich klar: Florian Lipowitz und Oscar Onley sind die Namen der Zukunft. Als Jonas Vingegaard seine Attacke setzte, konnte nur Tadej Pogačar sofort reagieren – und direkt dahinter: Lipowitz.
Er war der einzige Fahrer, der die Lücke schließen konnte. Alle anderen mussten abreißen lassen. Erst als Vingegaard ein zweites Mal beschleunigte, musste auch Lipowitz die beiden Großen ziehen lassen. Doch der Deutsche fand schnell Anschluss bei Felix Gall, der zuvor hinter Thymen Arensman attackiert hatte, dann aber dem explosiven Antritt von Pogacar und Vingegaard nichts mehr entgegensetzen konnte.
Vingegaards Angriff war offensichtlich darauf ausgelegt, Platz zwei im Gesamtklassement abzusichern. Nach dem Ausstieg von Remco Evenepoel war Florian Lipowitz sein neuer Hauptgegner im Kampf um Rang zwei. Doch Gall und Lipowitz harmonierten gut – und hätte der Anstieg nur 500 Meter länger gedauert, sie hätten Vingegaard womöglich noch eingeholt.
Gestern war noch der Eindruck, dass Primož Roglič bei Red Bull–BORA–hansgrohe die Rolle des Kapitäns im Gesamtklassement übernehmen könnte. Heute ist klar: Florian Lipowitz ist der Mann fürs Podium. Die Tour de France 2025 bringt endlich den lang erwarteten Generationswechsel.
Es geht nicht mehr nur um Slowenien oder Dänemark – Deutschland mischt nun ganz vorne mit. Und dass Felix Gall, der Kraftprotz aus Österreich, beinahe noch den Etappensieg geholt hätte? Eine süße Zugabe für unsere Freunde aus der Alpenrepublik.
Und zur Frage: Hätte Lipowitz vor Vingegaard attackieren sollen? Ganz klar: nein. Felix Gall hat gezeigt, dass selbst ein Vorsprung von 30 Sekunden auf einem Berg mit 6–7 Kilometern verbleibend bedeutungslos ist, wenn Pogacar und Vingegaard ernst machen. Aber Arensmans Vorsprung von 2:30 Minuten? Der war entscheidend – und reichte für den größten Triumph seiner Karriere.
Chapeau, Thymen. Chapeau, Florian.

Víctor LF (CiclismoAlDía)

Tadej Pogačar hat gezeigt, dass er auch nur ein Mensch ist. Nach zwei Tagen, in denen er alles gegeben hat, schien er heute nicht ganz die gewohnte Spritzigkeit in den Beinen zu haben. Doch das ist, was im Jahr 2025 ein „schlechter Tag“ für Pogačar bedeutet: beinahe den Sieg auf der Königsetappe der Tour de France zu holen.
Auch Jonas Vingegaard konnte nicht ganz an die Leistung seines fulminanten Zeitfahrens vom Vortag anknüpfen. Nutznießer des Ganzen ist Florian Lipowitz, der sich nach dem Ausstieg von Remco Evenepoel und dank starker Leistung nun als Favorit auf den dritten Platz im Gesamtklassement präsentiert. Der Deutsche konnte Zeit auf die restlichen Podiumsanwärter gutmachen.
Den Etappensieg sicherte sich jedoch Thymen Arensman, der zum richtigen Zeitpunkt attackierte und stark genug war, um das Feld der Favoriten auf Distanz zu halten. Carlos Rodríguez zeigte ebenfalls eine gute Vorstellung, während Enric Mas in der Gruppe des Tages enttäuschte – sogar Einer Rubio konnte sich länger behaupten als der Spanier.
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Rúben Silva (CyclingUpToDate)

Es war ein interessanter Renntag, bei dem Visma früh Druck machte, letztlich aber war es eine Etappe, die ganz unter der Kontrolle von UAE stand. Schon am letzten Anstieg war klar: Sie hatten keinerlei Ambitionen anzugreifen. Der Vorsprung auf Vingegaard ist groß genug – es geht nun eher darum, das Risiko eines Einbruchs im weiteren Rennverlauf zu minimieren, statt noch mehr Zeit gutzumachen. Jonas Vingegaard hat gut daran getan, es zu versuchen – und hält sich damit die Hoffnung offen, Pogačar doch noch einmal zu knacken. Aber es wird weitere Angriffe brauchen – wenn es überhaupt möglich ist.
Das Hauptthema des Tages war natürlich Remco Evenepoel. Es war offensichtlich, dass er nicht bei 100 Prozent war – und das Defizit aus dem schwierigen Winter ohne solide Trainingsbasis zeigte sich bereits bei der Tour de Romandie, und nun auch hier in aller Deutlichkeit. Ihm fehlt derzeit die Konstanz – und vermutlich auch die nötigen Höhenmeter in den Beinen, um mit den besten Bergfahrern mitzuhalten.
Dass er das Rennen vorzeitig beendet, hätte ich trotzdem nicht erwartet. Ein Etappensieg später im Rennen wäre sicher möglich gewesen – aber wenn man ehrlich ist: Einen hat er schon geholt, und mental dürfte der Rückschlag enorm gewesen sein – zumal ihm noch viele Stunden im Hochgebirge bevorstanden.
Der Etappensieg von Thymen Arensman war hingegen ein echtes Highlight. Schon auf der 10. Etappe hatte er starke Form gezeigt, und heute hat er sie perfekt genutzt. Eine großartige Vorstellung – und ein hochverdienter Sieg.

Miguel Marques (CiclismoAtual)

Und endlich hat sich eine Ausreißergruppe in den Pyrenäen durchgesetzt! Thymen Arensman hatte es bereits zuvor versucht, und als ich ihn heute attackieren sah, hatte ich keinen Zweifel, dass er gewinnen würde – es ist zudem der erste Etappensieg für INEOS bei dieser Tour.
Jonas Vingegaard hat endlich am Berg angegriffen. Ob man ihn oder Pogačar lieber mag, ist egal – es ist gut fürs Rennen. Pogačar konterte und schlug seinen Rivalen im Zielsprint, womit er 6 Sekunden gutmachte. Dennoch entsteht der Eindruck, dass UAE nicht stark genug war, um den Rückstand zur Ausreißergruppe zu verkürzen und Pogačar so den Etappensieg zu ermöglichen.
Der Ausstieg von Remco Evenepoel ist eine schlechte Nachricht für das Rennen, ebenso wie der Sturz von Mattias Skjelmose. In zwei Wochen Tour haben wir nun bereits drei Top-5-Kandidaten verloren, darunter auch João Almeida. Florian Lipowitz zeigte erneut eine starke Leistung, verlor nur wenige Sekunden auf die „großen Zwei“ und kletterte aufs virtuelle Gesamtpodium – er ist die Entdeckung dieser Tour.
Auch positiv verlief der Tag für Oscar Onley, Ben Healy und Tobias Johannessen, der Teil der Ausreißergruppe war. Und Vorsicht vor Primož Roglič, der sich bereits auf Platz 6 im Gesamtklassement geschoben hat. Matteo Jorgenson war dagegen die große Enttäuschung des Tages – er fiel im Klassement weit zurück.
Ein Wort noch zu zwei „Nebendarstellern“ des Tages: Lenny Martinez und Jonathan Milan bauten ihre Führungen in der Berg- bzw. Punktewertung weiter aus – trotz eines hungrigen Tadej Pogačar, der beiden weiter im Nacken sitzt.

Carlos Silva (CiclismoAtual)

Die Nachricht des Tages: Tadej Pogačar hat nicht seine fünfte Etappe bei der Tour de France gewonnen. Mattias Skjelmose war der nächste Fahrer, der den Folgen schlechter Organisation zum Opfer fiel. Die ASO lernt einfach nicht aus ihren Fehlern – im Gegenteil, sie hat die Macht, sie zu vervielfachen. Eine schlecht ausgeschilderte Verkehrsinsel, ein großes Fahrerfeld, und das Unvermeidliche geschah... schon wieder.
Bereits gestern habe ich gesagt, dass Remco Evenepoel das Rennen nicht beenden würde. Man hat darüber gelacht. Heute, als ich ihn hinten im Peloton sah, sagte ich erneut, dass er den Tag nicht überstehen und bald absteigen würde. Wieder wurde ich belächelt – man meinte, er erhole sich in der Abfahrt. Aber am Ende ist er ausgestiegen.
Wenn man einem Fahrer ins Gesicht sieht, in seine Augen, auf seinen Tritt... dann erkennt man, was los ist. Ich kann mir vorstellen, wie sehr er auf dem Rad gekämpft hat, um nicht aufzugeben. Aber was in seinem Kopf gerade vorgeht – das kann ich mir nicht vorstellen.
Was Visma betrifft... ich weiß nicht, was ich über ein Team noch sagen soll, das völlig den Faden verloren hat. Sie versuchen es zu überspielen, als hätten sie einen Plan. Aber die Wahrheit ist: Sie haben keinen. Es ist eine Gruppe orientierungsloser Fahrer, ohne Durchschlagskraft und ohne Autorität im Peloton.
UAE macht mit ihnen, was es will – und das sogar ohne eine Übermacht an reinen Kletterern an Pogačars Seite. Ich möchte nicht übertreiben, aber ehrlich gesagt wirkt dieses Visma-Team wie UAE in jedem beliebigen Rennen ohne Tadej Pogačar: Ein Team ohne Saft, ein abgestandenes Produkt.
Florian Lipowitz steht aktuell auf dem Podium – aber die Konkurrenz lauert bereits. Der Kampf um Platz drei im Gesamtklassement wird intensiv und spannend.

Félix Serna (CyclingUpToDate)

Remco Evenepoels Ausstieg aus der Tour de France hat für Aufsehen gesorgt – und das nicht nur, weil er zu diesem Zeitpunkt Dritter der Gesamtwertung war.
Dass Evenepoel nicht in Bestform war, wusste jeder. Das zeigte sich bereits auf der Etappe nach Hautacam, wo er 52 Kilometer vor dem Ziel abgehängt wurde – und wurde gestern im enttäuschenden Zeitfahren nochmals deutlich. Und trotzdem lag er noch auf Rang drei – eine riesige Leistung bei jeder Tour, besonders in einer, die von Tadej Pogačar so klar dominiert wird. Anstatt seine Ziele anzupassen, sich zu erholen oder auf Etappensiege aus der Ausreißergruppe zu setzen, entschied er sich, das Rennen zu verlassen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Fragen zu Remcos Charakter auftauchen, wenn es nicht nach Plan läuft. Er ist ein Fahrer mit enormem Talent, aber offenbar jemand, der Schwierigkeiten hat, mit Rückschlägen umzugehen. Als klar war, dass ein Podiumsplatz nicht mehr realistisch ist, schien es keinen Plan B zu geben – nur noch den Entschluss, auszusteigen.
Nach der heutigen Etappe liegt Carlos Rodríguez mit 23 Minuten Rückstand auf Pogacar auf Rang zehn der Gesamtwertung. Ist Remco wirklich in so schlechter Verfassung, dass selbst ein Platz in den Top 10 außer Reichweite war?
Das Ganze wirkt weniger wie ein medizinisch notwendiger Rückzug – und mehr wie ein psychologisches Aufgeben. Und das ist schade, nicht nur für die Fans, sondern auch für die Tour selbst. Ein Fahrer seines Kalibers hätte die letzte Woche mit Etappenjagden noch elektrisieren können. Thymen Arensman ist das beste Beispiel: Er wagte den Angriff bereits am vorletzten Anstieg und fuhr die letzten 37 Kilometer solo – ein heroischer Kraftakt, der mit dem Etappensieg belohnt wurde.
Natürlich war Arensman nie ein Kandidat für das Gesamtklassement – aber Remco hätte in der letzten Woche genau das Gleiche leisten können.
Stattdessen hinterlässt sein Ausstieg einen bitteren Beigeschmack. Nicht, weil Fahrer nicht das Recht hätten, aufzugeben – natürlich haben sie das –, sondern weil es sich nicht nach einer Notwendigkeit, sondern nach Frustration anfühlt.
Lipowitz
Vielleicht täusche ich mich, und Remco ist tatsächlich krank – aber wahrscheinlich werden wir es nie genau erfahren.
Zum Kampf um das Gelbe Trikot: Heute wurde klar, dass weder UAE noch Visma der Grund sind, warum Pogacar und Vingegaard auf den Plätzen eins und zwei stehen. Visma versuchte, zwei Fahrer in die Ausreißergruppe zu schicken – mit der Hoffnung, entweder um den Etappensieg zu kämpfen oder Vingegaard im Finale zu helfen.
Am Ende gelang beides nicht. Sie waren weit vom Etappensieg entfernt und konnten Vingegaard nicht unterstützen. Es stimmt, dass das Team das Rennen aktiv zu beleben versucht hat – aber ihre Taktik war nicht effektiv. Und bei UAE? Angesichts Pogacars Form braucht es keine Taktik. Pogacar IST die Taktik.
Und Sie? Was denken Sie über die heutigen Geschehnisse? Hinterlassen Sie einen Kommentar und beteiligen Sie sich an der Diskussion!
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