DISKUSSION Tour de France Etappe 10 | Welche Mittel bleiben Visma gegen Pogacar? Healy auf dem Karrierehöhepunkt?

Radsport
Dienstag, 15 Juli 2025 um 10:52
TadejPogacar_JonasVingegaard
Der 14. Juli ist bei Radsportfans rot im Kalender markiert. Der französische Nationalfeiertag, der Bastille Day, hat in der Geschichte der Tour de France einige der ikonischsten und unvergesslichsten Momente hervorgebracht – und auch heute machte da keine Ausnahme.
Die Etappe war vom ersten Kilometer an brutal. Über 4400 Höhenmeter, ein ständiges Auf und Ab, kaum ein Moment zum Durchatmen.
Wie so oft begann die Etappe rasant, und es dauerte nicht lange, bis sich die Ausreißergruppe formierte. Bis zu 29 Fahrer zählten dazu – ein klares Zeichen dafür, wie groß heute der Glaube an eine erfolgreiche Flucht war.
Ben Healy, Julian Alaphilippe, Simon Yates, Lenny Martinez, Ben O’Connor, Thymen Arensman… Die Gruppe war prominent besetzt, und dem Peloton war von Anfang an klar, dass es schwer werden würde, sie wieder einzuholen.
EF Education-EasyPost stellte die meisten Fahrer in der Spitzengruppe und arbeitete hart daran, den Abstand groß genug werden zu lassen, um Ben Healy das Gelbe Trikot zu ermöglichen. Healy warf alles in die Waagschale – und erreichte sein Ziel. Den Etappensieg musste er jedoch Simon Yates überlassen.
Der Brite wartete den perfekten Moment ab, setzte eine kraftvolle Attacke und sicherte sich einen weiteren Tour-Etappensieg für sein Palmarès.
Auch die Favoriten in der Gesamtwertung sorgten für Spektakel. Team Visma | Lease a Bike zündete am Ende der Etappe das Feuerwerk: Ein entschlossener Matteo Jorgenson und Sepp Kuss griffen an, um Tadej Pogacar und das UAE-Team unter Druck zu setzen. Am Ende blieben nennenswerte Zeitabstände zwischen den Klassementfahrern aber aus.
Nach dem Etappenende baten wir einige unserer Redakteure um ihre Eindrücke und wichtigsten Erkenntnisse des Tages.
pogacar-vingegaard

Víctor LF (CiclismoAlDía)

Diese Etappe muss in zwei Teile unterteilt analysiert werden: zunächst der Kampf um den Etappensieg, dann das Duell in der Gesamtwertung. Beginnen wir mit dem Geschehen in der Ausreißergruppe, die heute mit vielen namhaften Fahrern besetzt war.
Ein Ausreißersieg war zu erwarten – und genau so kam es. Simon Yates erwies sich am Ende als der Stärkste einer hochkarätigen Gruppe mit Ben Healy, Ben O'Connor, Michael Storer, Thymen Arensman und weiteren Fahrern. Er war der beste Kletterer in diesem Feld, obwohl das Terrain heute nicht ganz seinem bevorzugten Profil entsprach. Nach einem starken Giro d’Italia rundet dieser Erfolg für Yates eine bislang herausragende Saison 2025 ab.
Im Kampf der Klassementfahrer zeigte Visma erneut, dass man nun ernst macht im Kampf gegen Pogacar. Matteo Jorgenson fuhr auf einem herausragenden Niveau, und in Abwesenheit von João Almeida deutet sich in den Hochgebirgs-Etappen ein mögliches 2-gegen-1-Szenario gegen Pogacar an – auch wenn das noch etwas hin ist.
Pogacar hingegen fuhr kontrolliert und gelassen. Ihm war klar, dass Ben Healy am Ende das Gelbe Trikot übernehmen könnte, und er ließ es bewusst zu. Der Slowene scheint darauf bedacht, den Druck möglichst gering zu halten – und wenn er damit vermeiden kann, jeden Tag auf dem Podium stehen und jede Etappe kontrollieren zu müssen, ist ihm das nur recht.
Und zu guter Letzt ein Blick auf die Spanier: Pablo Castrillo und Raúl García Pierna zeigten ordentliche Leistungen, doch in einer Spitzengruppe auf WorldTour-Niveau offenbarte sich auch ihr noch fehlendes Top-Level. In der Gesamtwertung präsentiert sich Carlos Rodríguez verbessert und nähert sich langsam der Top 10, während Enric Mas erneut schwer zu kämpfen hatte und weitere wichtige Sekunden verlor.

Rúben Silva (CyclingUpToDate)

This was a good day of racing. Most of it centered around what Visma would do. They did good placing two riders in the break, and they did deliver on the expectation of strong attacks but they did one simple and clear thing wrong which was that Matteo Jorgenson attacked on the climbs every single time, where for Pogacar it's easy to answer. Not once was it on the flat or downhill where he would perhaps not answer if a gap opened, which to me is a very obvious tactic to use, but perhaps not to them.
Ultimately though the team did win the stage with Simon Yates, Jonas Vingegaard resisted the very explosive attack of Pogacar on the final climb and Jorgenson himself gained time on several of his rivals whilst maintaining the difference to Pogacar so it's a good day overall for them.
UAE in my opinion burned through Sivakov, Politt and Wellens for no purpose, it looked clear that the team wanted to give away the yellow jersey but still they put their men to work to exhaustion whereas they could've taken it a few minutes more slowly for the same result in the end.
UAE lose yellow to Ben Healy but the writing was on the wall as soon as the breakaway was formed. UAE's tactics are questionable in my opinion in the long-term, whilst Visma is racing strongly but simply does not have the firepower to damage Pogacar unless it's Vingegaard attacking directly.
But he won't. Both Vingegaard and Pogacar are giving the impression that they don't want to give their 100% unless they drop each other, and are continuing a mental battle into the mountains. No-one wants to give away their game fully.
Healy was likely the strongest on the day but pulled off an even more important feat (within context, he's won a stage already) of getting the yellow jersey; the breakaway battle was between the very best men who could get in the group and Yates continues a brilliant season.

Félix Serna (CyclingUpToDate)

Bin ich der Einzige, der sich heute ein wenig enttäuscht fühlt? Ich spreche nicht vom Kampf der Ausreißer – der war fantastisch und hat uns einige besondere Momente beschert –, sondern von der Auseinandersetzung um das Gesamtklassement.
Es wurde im Vorfeld viel darüber spekuliert, ob Visma | Lease a Bike eine Überraschungsstrategie anwenden könnte, um Pogacar zu attackieren. Zwar brachten sie zwei Fahrer in die Ausreißergruppe, doch wirklich viel sprang dabei nicht heraus. Natürlich haben sie es immer wieder versucht, vor allem Jorgenson und Sepp Kuss waren sehr aktiv, aber ich bin mir nicht sicher, ob der gewählte Ansatz der richtige war.
Ohne Almeida und Sivakov (er war heute offenbar angeschlagen, fuhr die Etappe aber zu Ende) verblieb Pogacar mit nur fünf Teamkollegen. UAE hatte lange das Feld angeführt, um die Ausreißergruppe zu kontrollieren – offenbar wollten sie das Gelbe Trikot verteidigen –, und musste dabei früh Nils Politt und Tim Wellens opfern.
Das bedeutete, dass UAE mit einem angeschlagenen Team in den Finalteil der Etappe ging, während Visma Kräfte schonte und auf den richtigen Moment wartete. Doch ihre Angriffe kamen erneut ausschließlich am Berg – dort, wo Pogacar normalerweise keine Probleme hat, Angriffe zu kontern, besonders wenn sie so wenig durchschlagskräftig sind wie heute. Ich hätte erwartet, dass Visma auch auf flacherem Terrain attackiert – dort, wo Jorgenson besonders stark ist und wo Pogacar ohne Teamunterstützung mehr Schwierigkeiten hätte, zu reagieren.
Letztlich war es wenig überraschend, dass Pogacar gegen Ende selbst einen Angriff wagte. Vingegaard konnte gut kontern, aber mehr passierte auch nicht.
Diese Etappe war für mich enttäuschend, weil ich mir im letzten Abschnitt etwas mehr Initiative von den Außenseitern erwartet hätte. Remco Evenepoel, Roglic oder auch Florian Lipowitz – ich hatte gehofft, dass einer von ihnen etwas wagen würde. Letztlich griff nur Evenepoel kurzzeitig an – sein Vorstoß war harmlos, hätte aber durchaus funktionieren können, da weder Pogacar noch Vingegaard reagierten. Doch Remcos Tempo reichte am Ende nicht aus.
Es scheint, als würden alle Fahrer Tadej und Jonas so sehr respektieren, dass sie sich nicht trauen, anzugreifen. Aber gerade heute hat sich gezeigt, dass es keinen Grund zur Zurückhaltung gibt. Die beiden konzentrieren sich so stark aufeinander, dass sie auf Angriffe von anderen Fahrern oft gar nicht reagieren – es sei denn, sie kommen von UAE oder Visma. Genau deshalb lohnt sich ein Versuch: Man weiß nie, was passiert.
Positiv überrascht hat mich der Kampf um die Ausreißergruppe. Schon die Zusammensetzung versprach Spannung – und genau das hat sich auch bewahrheitet. Ben Healy hat sich das Gelbe Trikot verdient. Er fuhr klug und bewies, wie wichtig Teamarbeit bei der Tour de France ist.
Für Visma gab es heute ein unerwartetes Geschenk: den Etappensieg. Er war nicht Teil des ursprünglichen Plans, aber am Ende konnte das Team mit einem guten Gefühl in den Ruhetag gehen.
Und Sie? Was denken Sie über die heutigen Geschehnisse? Hinterlassen Sie einen Kommentar und beteiligen Sie sich an der Diskussion!
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