DISKUSSION: Männer-Zeitfahren bei der WM – eine herbe Niederlage für Tadej Pogacar?

Radsport
Sonntag, 21 September 2025 um 21:30
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Die Weltmeisterschaft im Einzelzeitfahren der Männer fand in Kigali, Ruanda, auf einem anspruchsvollen Kurs statt. 40,6 Kilometer, 680 Höhenmeter und vier knackige Anstiege – ein Profil, das laut Experten perfekt zu Tadej Pogacar passen sollte.
Wie üblich eröffneten Fahrer aus Nationen mit weniger Radsporttradition den Wettbewerb. Erster Starter war Lokalmatador Shemu Nsengiyumva, der von den begeisterten Fans lautstark gefeiert wurde. Mit 55:41 Minuten fuhr er eine respektable Zeit, die am Ende sogar schneller war als die von Fahrern wie Mauro Schmid. Manche seiner direkten Konkurrenten, darunter Jalal Edward und Dictor Mut aus dem Südsudan, hatten nicht einmal ein Zeitfahrrad zur Verfügung – was die Herausforderung noch größer machte.
Gianni Vermeersch war der erste Profi auf der Rampe und setzte mit 54:49 Minuten eine Bestmarke. Doch schon kurz darauf unterbot Michael Leonard seine Zeit mit 53:39 Minuten, ehe Ilan Van Wilder die Messlatte deutlich höherlegte: 52:22 Minuten – eine Marke, an der sich die Spezialisten die Zähne ausbissen. Weder Thymen Arensman noch Stefan Küng, Iván Romeo, Mattia Cattaneo oder Bruno Armirail konnten auch nur annähernd herankommen. Van Wilder blieb lange unangefochten auf dem heißen Stuhl.
Stark begann auch Isaac del Toro, der an der ersten Zwischenzeit vorne lag, in der zweiten Rennhälfte jedoch Tribut zollen musste und nicht mehr an Van Wilders Zeit herankam.
Dann rückten die drei großen Favoriten ins Rampenlicht: Jay Vine, Tadej Pogacar und Remco Evenepoel. Von ihnen wurde der Kampf um den Titel erwartet – und genau das geschah. Doch als Evenepoel, als letzter Starter, an der ersten Zwischenzeit gemessen wurde, war sofort klar: Hier fährt einer in einer anderen Liga. 45 Sekunden schneller als Vine und Pogacar.
Der Vorsprung wuchs weiter: 1:17 Minuten auf Vine, 1:42 auf Pogacar bei der zweiten Zwischenzeit. Die Vorentscheidung war früh gefallen. Während Pogacar zunehmend Zeit verlor, stellte sich die Frage, ob Evenepoel ihn tatsächlich noch einholen könnte – obwohl er zweieinhalb Minuten später gestartet war.
Die Antwort: Ja. Wenige Kilometer vor dem Ziel kam es zu dem historischen Bild, das in Erinnerung bleiben wird – Remco Evenepoel überholt Tadej Pogacar, den besten Rundfahrer der Welt, auf offener Strecke. Ein Moment für die Geschichtsbücher. Der Belgier gewann souverän seinen dritten WM-Titel im Zeitfahren in Folge, vor Jay Vine und Ilan Van Wilder. Pogacar blieb nur Rang vier.
Nach Rennende baten wir unsere Autoren um ihre Eindrücke und wichtigsten Erkenntnisse zu diesem außergewöhnlichen Tag.

Pascal Michiels (RadsportAktuell)

Nach der ersten Zwischenzeit lag das Phänomen Remco Evenepoel bereits 44 Sekunden vor Tadej Pogačar – dem erklärten Favoriten des Tages. Auf einem Parcours, der streckenweise flach wie ein Billardtisch war – wie konnte das überhaupt möglich sein? Ab diesem Moment schien es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Belgier den slowenischen Superstar einholen würde. Und genau das geschah: Auf dem Kopfsteinpflaster fuhr Evenepoel an Pogačar vorbei – ohne einen Blick zurückzuwerfen.
Pogačar fehlte es eindeutig an den Beinen. Bronze wäre vielleicht noch möglich gewesen, wenn er Evenepoels Rad hätte halten können, doch selbst das blieb ihm verwehrt. Ilan Van Wilder brachte ein paar Sekunden Vorsprung ins Ziel – ein Teamkollege von Evenepoel. Jay Vine wiederum flog im Schlussteil über die Strecke und nahm Van Wilder innerhalb weniger Kilometer fast eine Minute ab.
So standen am Ende drei glückliche Fahrer auf dem Podium – und ein Fazit, das niemand bestreiten kann: Im Zeitfahren ist derzeit niemand schneller als Remco Evenepoel. Er bescherte Pogačar die wohl bitterste Niederlage seiner Karriere. Und dieses Ergebnis dürfte die Karten für das Straßenrennen in Kigali neu mischen.
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Remco Evenepoel ritt mit einem speziellen goldenen Helm

Félix Serna (CyclingUpToDate)

Heute war ein historischer Tag für den Radsport – und für Tadej Pogačar eine Demütigung. Nicht nur, weil er gegen Remco Evenepoel verlor. Das wäre an sich keine Überraschung, schließlich hat der Belgier in den letzten Jahren bewiesen, dass er der Maßstab im Zeitfahren ist. Aber diesmal war alles anders: Die Strecke in Kigali, mit vier giftigen Anstiegen und über 680 Höhenmetern, schien wie gemacht für Pogacar. Auf dem Papier schien es seine beste Chance, endlich eines der wenigen großen Rennen zu gewinnen, in denen er noch nicht dominiert hat.
Doch das Rennen nahm einen unvorhersehbaren Verlauf. Evenepoel siegte nicht einfach – er VERNICHTETE die Konkurrenz. Schon nach 10 Kilometern lag er 45 Sekunden vor den eng beieinanderliegenden Rivalen Del Toro, Pogačar, Vine oder Armirail. Eine absurde Dominanz, die bis ins Ziel nur noch größer wurde.
Einzig Jay Vine konnte den Schaden begrenzen und kam 1:14 hinter dem Belgier ins Ziel – eine beachtliche Leistung. Pogačar hingegen blutete mit jedem Kilometer weiter Sekunden. Bis das Undenkbare geschah: Er wurde von seinem größten Rivalen eingeholt, obwohl er zweieinhalb Minuten früher gestartet war.
Für einen Fahrer, der das Zeitfahren gezielt vorbereitet hatte und dessen Stärken dem Kurs eigentlich entgegenkamen, war das eine schmerzhafte Demütigung. Dass er direkt vor Evenepoel startete, war sicher Pech – aber keine Entschuldigung. Schlimmer noch: Im letzten Anstieg, seiner Paradedisziplin, konnte er Evenepoels Rad nicht halten.
Am Ende stand er nicht nur ohne Regenbogentrikot da, sondern verpasste sogar das Podium. Jay Vine und Ilan Van Wilder stellten sich vor ihn. Eine Niederlage gegen Evenepoel war absehbar – aber gegen Van Wilder? Das hatte wohl niemand auf seiner Bingo-Karte, nicht einmal Van Wilder selbst.
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