Ben Healy im Aufwind: Zwischen Klassikerspezialist und Tour-Jäger

Radsport
Sonntag, 04 Mai 2025 um 10:00
healy
Mit gerade einmal 24 Jahren gehört Ben Healy zu den faszinierendsten Fahrern der neuen Radsportgeneration. Der irische Profi von EF Education–EasyPost, der 2023 mit einem Etappensieg beim Giro d’Italia und dem irischen Meistertitel im Straßenrennen auf sich aufmerksam machte, setzte mit einem beeindruckenden dritten Platz bei Lüttich–Bastogne–Lüttich ein weiteres Ausrufezeichen. Es war sein erstes Podium bei einem Monument – und womöglich nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt.
Healy gilt als aggressiver, intelligenter Fahrer mit außergewöhnlichem Gespür für die Dynamik eines Rennens. Im Gespräch mit dem italienischen Portal Bici.Pro gab Team-Sportdirektor Charly Wegelius einen detaillierten Einblick in Healys Entwicklung – sowohl als Athlet als auch als Persönlichkeit. "Er hatte schon als Amateur hervorragende Ergebnisse, weshalb wir ihn verpflichten wollten", erklärt Wegelius. "Im ersten Jahr haben wir ihn einfach Rennen fahren lassen, ohne gezielte Formaufbauten. Wir wollten herausfinden, wo seine Stärken auf WorldTour-Niveau liegen."
Diese Phase der Orientierung war offensichtlich erfolgreich: Bereits im Folgejahr glänzte Healy bei Eintagesrennen, stürmte beim Amstel Gold Race als Zweiter hinter Tadej Pogacar ins Rampenlicht und überzeugte beim Giro mit offensiver Fahrweise. "Er hat uns von seinem Wert überzeugt. Mit gezielter Vorbereitung hat er sich dann kontinuierlich verbessert – genau das ist passiert."
Für die Saison 2025 hat das Team ein ähnliches Programm wie im Vorjahr gewählt. Der dritte Platz bei Lüttich war der verdiente Lohn. Jetzt legt Healy eine Rennpause ein, um sich auf die Tour de France vorzubereiten – dort wird er nicht auf die Gesamtwertung fahren, sondern auf Etappensiege und möglicherweise sogar das Bergtrikot schielen. "Für ihn ist es im Moment besser, einzelne Etappen anzustreben. Er kennt seine Fähigkeiten – hohe Tempi über lange Distanzen – und weiß, dass er alleine ankommen muss."
Doch Healy will mehr. Ein mittelfristiges Ziel sei laut Wegelius, ihn bei einwöchigen Rundfahrten auf Gesamtwertung fahren zu lassen. Die Entwicklung sei längst nicht abgeschlossen. „Ich glaube nicht, dass er seine physischen Grenzen schon erreicht hat.“
Was Healy besonders macht, sei nicht nur das Talent, sondern die mentale Komponente: "Viele Fahrer sind stark, aber nur wenige haben die Entschlossenheit und den Fokus, die es auf höchstem Niveau braucht. Bei Ben merkt man das sofort – wie bei einem Championpferd, das mein Vater sofort erkannt hätte.“
Auch innerhalb des Teams ist Healy hoch angesehen. Er gilt als ruhig, analytisch, technisch interessiert – jemand, der nicht nur mit den Beinen, sondern auch mit dem Kopf fährt. "Er spricht nicht viel, aber wenn er etwas sagt, hat es Substanz", lobt Wegelius. "Er kennt sich aus mit Aerodynamik, Mechanik – und er versteht die Rennsituationen intuitiv."
Langfristig traut das Team ihm noch viel mehr zu – vielleicht sogar einen Durchbruch in der Gesamtwertung, wenn sich die Hierarchien im Peloton ändern. "Solange Pogacar dominiert, ist es schwer. Aber keine Ära hält ewig. Wenn sich das Fenster öffnet, wird Ben bereit sein."
Bis dahin dürfen sich Radsportfans auf viele weitere offensive Rennen freuen – denn Healy ist gekommen, um zu attackieren.
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