„Beim Boxen gibt es keine Leichtgewichte gegen Schwergewichte": Tim Merlier äußert Bedenken zum Radsport

Radsport
Samstag, 22 November 2025 um 10:00
merlier
In den letzten Wochen haben viele Sprinter ihre Stimme erhoben – ausgelöst vor allem durch die Vorstellung der Strecke für die Tour de France 2026. Nach dem Erfolg der diesjährigen Tour wird das Ziel in Montmartre wieder eingeführt, während eine der mythischsten Sprintankünfte des Kalenders auf den Champs-Élysées entfällt.
Die Debatte über den Stellenwert der Sprinter im modernen Radsport nimmt weiter zu, und Tim Merlier ist zu einer der lautesten Stimmen geworden. Der Belgier, einer der beständigsten Sprinter im Feld, sieht seine Chancen bei den großen Rundfahrten von Jahr zu Jahr schwinden und befürchtet, dass dieser Trend langfristig für seine Generation problematisch werden könnte.
In einem Interview mit Jan Bakelants, aufgegriffen von IDL, gibt Merlier einen Überblick über die bevorstehende Tour – und seine Einschätzung fällt kritisch aus: „Auf dem Papier sehe ich etwa sechs Sprintchancen … aber wir werden sehen, ob es wirklich welche sind.“ Besonders besorgt ist er über die letzte Woche, die er als „sehr hart“ bezeichnet, sowie über die vorletzte Etappe, die er für unnötig extrem hält. Seine Analyse ist eindeutig: Das Konzept der Strecke zielt darauf ab, den Platz für die Sprinter zu minimieren.
Merlier erkennt ein klares Muster: „Das Ziel ist, weniger Sprints und mehr Spektakel zu haben.“ Überraschenderweise komme dieser Trend nicht einmal den großen Kletterern zugute: „Auch sie sind in der Schlussphase erschöpft und brauchen Erholung. Es muss nicht immer härter sein, um spannend zu sein.“
Trotzdem weiß er um die Grenzen seines Einflusses: „Ich werde das Rennen nicht ändern“, gibt er zu. Um seine Frustration zu verdeutlichen, nutzt er ein Bild, das sich im Internet verbreitet hat: „Beim Boxen treten die Leichtgewichte nie gegen die Schwergewichte an. Im Radsport tun sie es.“
Diese Metapher fasst prägnant zusammen, wie er die neuen Strecken einschätzt: Sie scheinen darauf ausgelegt zu sein, reine Sprinter auszuschließen.
Tim Merlier, preocupado por el futuro de los velocistas
Tim Merlier befürchtet, dass der Sprint aus der Tour de France und aus dem Radsport verschwinden könnte

Eine verbotene Zukunft für Sprinter?

Merlier fürchtet, dass die aktuelle Entwicklung des Radsports Profile wie das seine zunehmend ausschließt. Er fragt sich, ob der Tag kommen wird, an dem nur noch leichtgewichtige Fahrer eine echte Chance haben, bei den großen Rennen zu glänzen – eine Entwicklung, die er als traurig und verarmend für den Sport empfindet.
Diese Sorge spiegelt sich auch im Weltcup wider: Seit Peter Sagan 2017 in einem verkürzten Sprint den Titel gewann, hat kein Sprinter mehr das Regenbogentrikot errungen. „Jede Generation von Sprintern sollte zumindest eine echte Chance haben. Ich fürchte, diese Chance wird sich für mich nie ergeben“, gesteht Merlier.
Selbst als Jan Bakelants scherzhaft andeutet, dass Abu Dhabi 2028 seine Gelegenheit sein könnte, antwortet Merlier mit Ironie über die Möglichkeit, dass dort ein für Pogačar entworfener Berg auftauchen könnte: „Sie arbeiten daran“, fügt er mit bissigem Humor hinzu.
Neben den Weltmeisterschaften verfolgt Merlier ein weiteres klares Ziel: die Trilogie der Etappensiege bei den drei Grand Tours zu vervollständigen. Ihm fehlt nur noch die Vuelta a España, ein Rennen, das er seit Jahren ins Auge fasst. „Ich möchte schon seit mehreren Jahren an dieser Tour teilnehmen“, gesteht er.
Er ist sich jedoch der mentalen Belastung bewusst, die eine Abfolge von zwei Grand Tours mit sich bringt. 2021 versuchte er es, gewann Etappen beim Giro und bei der Tour, konnte aber keine der beiden beenden. „Damals habe ich mir diesen Ruf erarbeitet“, scherzt er.
Obwohl das Alter eine Rolle spielt – 2028 wird er fast 36 Jahre alt sein – hat er nicht das Gefühl, dass seine Leistung nachlässt. „Ich bin nicht im Niedergang begriffen, ich bin nicht nervös im Sprint. Ein Rücktritt ist nicht geplant“, betont er.
Merlier spricht nicht aus Resignation, sondern aus Überzeugung: Der Radsport muss die Vielfalt bewahren, die die Grand Tours ausmacht. Er befürchtet, dass die Sprinter andernfalls zu einer vom Aussterben bedrohten Spezies werden.
Sein Fazit bringt es auf den Punkt: „Ich fürchte, dass sich mir nie eine Chance bieten wird.“
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