Während sich der Rest des Teams
Visma - Lease a Bike in seinem Höhentrainingslager in Tignes versammelt hat, fehlt eine wichtige Auswahl für die Tour de France ganz besonders:
Tiesj Benoot. Der 31-jährige Belgier nimmt 2025 an der
Tour de Suisse teil und lässt das Trainingslager in Tignes vorerst ausfallen. Es ist eine kalkulierte Entscheidung, die sowohl auf leistungswissenschaftlichen Erkenntnissen als auch auf persönlicher Ausgewogenheit beruht.
"Ich habe die Klassiker - Sierra Nevada - Dauphiné - Tignes und dann die Tour - jetzt drei Jahre hintereinander gefahren, also wollte ich etwas anderes", sagte
Benoot gegenüber In de Leiderstrui. Diesem Wunsch wurde entsprochen, und während seine Teamkollegen die Alpen erklommen oder nach dem Giro oder der Dauphiné Erholungspausen einlegten, fuhr Benoot auf Schweizer Straßen, seinen Blick immer noch fest auf den Juli gerichtet.
Benoot nimmt keine Abkürzung. Sein Fundament wurde in einem brutalen vierwöchigen Höhencamp in der Sierra Nevada gelegt, wo er sich mit Fahrern wie Otto Vergaerde und Jasper Stuyven von Lidl-Trek messen konnte. Aber im Gegensatz zu seinen Teamkollegen in Tignes setzt Benoot auf Variation. "Ich habe das Gefühl, dass ein neuer Reiz ab und zu auch einfach gut ist", sagte er. "Abwechslung ist auch in einer Karriere ab und zu wichtig, sowohl körperlich als auch mental."
Der mentale Aspekt ist wichtig. Als Vater von zwei kleinen Kindern entschied sich Benoot dafür, das Spitzentraining mit der Familie zu verbinden und brachte seine Familie sogar für die letzte Woche der Sierra Nevada nach Spanien. Er sprach ganz offen über diese Entscheidung: "Ich konnte in der Sierra Nevada sehr gut trainieren, und meine Familie kam in der vierten Woche zu Besuch, das war großartig."
Das ist auch für Benoots Teamkollegen Jonas Vingegaard wichtig, der seinen Trainings- und Rennplan regelmäßig anpasst, um so wenig Zeit wie möglich ohne seine Familie zu verbringen.
Sein aktuelles Programm für die Tour de Suisse dient nicht nur dem Rennrhythmus, sondern füllt auch eine praktische Lücke. "Weil man etwas länger (in der Höhe) fährt, kann man auch langsamer aufbauen", erklärt er. "Und ich habe in der vierten Woche ein bisschen härter trainiert, weil ich gemerkt habe, dass ich nach der Schweizerrundfahrt nicht mehr diese Trainingszeit habe. Die hätte ich normalerweise nach der Dauphiné."
Für Benoot ist die Umstellung keine bloße Vermutung. Sie beruht auf seiner Erfahrung. "Ich habe 2019 den gleichen Ansatz verfolgt und bin eine ziemlich gute Tour gefahren, also glaube ich daran."
Benoot hat seit 2017 jede Tour mitgemacht
Benoot ist in seiner Karriere fast ausschließlich die Klassiker im Frühjahr und dann die Tour gefahren. Den Giro ist er noch nie gefahren, die Vuelta nur einmal, und zwar 2018. Auf seinem Weg hat er Rennen wie die Trade Bianche und Kuurne-Brüssel-Kuurne gewonnen, aber nie eine Tour-Etappe.
Er hat auch einen realistischen Blick auf das weitere Tourbild. Als er die Dauphiné-Mannschaft von Visma aus der Ferne beobachtete, war er sowohl beeindruckt als auch nachdenklich, insbesondere angesichts des Niveaus von Tadej Pogacar. "Es war wieder beeindruckend, wie schnell sie fahren", sagte er über das Zeitfahren. Aber er räumte auch die jüngsten Rückschläge ein: "Wir hätten es in den letzten beiden Tagen gerne anders gesehen. Andererseits ist die Tour noch relativ weit weg und wir müssen einfach so weitermachen wie bisher."
Benoot wird nach der Tour de Suisse nach Belgien zurückkehren und dort an den nationalen Meisterschaften teilnehmen, anstatt weitere Höhenmeter zu sammeln. Das ist eine weitere Abweichung vom typischen Tour-Vorbereitungsschema, aber eine, die ein reiferes Verständnis für seine Bedürfnisse widerspiegelt. "Wenn man eine Woche früher gut sein will, muss man auch eine Woche früher wieder mit dem Training beginnen", so seine Überlegung, "dann passt alles ein bisschen besser zusammen".