Mit zwölf Siegen in seinen letzten fünfzehn Rennen erlebt
Paul Magnier einen Herbst, wie ihn der Radsport selten sieht. Der 21-jährige Franzose von Soudal–Quick-Step verwandelt jede Ziellinie in ein persönliches Podium. Sein Entdecker, Johan Molly, versteht besser als jeder andere, warum dieses Talent plötzlich explodiert.
Magnier sorgt seit Wochen für Staunen. Nach seinem Triumph beim GP de Fourmies dominierte er sowohl die Slowakei- als auch die Kroatien-Rundfahrt mit jeweils vier Etappensiegen. Nun hat er bei der anspruchsvollen Tour of Guangxi in China bereits drei Erfolge in Folge gefeiert – und das Ziel ist klar: mehr. „Gestern Abend sprach ich per Video mit Paul. Er sagte mir, er wolle in China vier Etappen gewinnen. Ich hoffe auf fünf“, lacht Molly, der junge Scout, der den Sprinter einst entdeckte.
Vom Fehlstart zum Durchbruch
Dabei sah die Saison zu Beginn ganz anders aus. Magnier wollte sich mit den Größen der flämischen Klassiker messen – und scheiterte. „Schon bei Gent–Wevelgem merkte ich, dass etwas nicht stimmte“, erinnert sich Molly. „Beim ersten Anstieg auf den Kemmelberg wirkte er gut, doch plötzlich war der Akku leer.“
Die Ursache lag im Training. Magnier hatte den Fokus auf Explosivität gelegt und die Ausdauer vernachlässigt. Das Resultat: beeindruckende Muskelmasse, aber ein Körper, dem auf langen Strecken die Energie ausging. Selbst Teamkollege Tim Merlier warnte ihn, das Krafttraining nicht zu übertreiben.
Um die Wende einzuleiten, zog Magnier die Reißleine und wechselte den Trainer. Unter der Leitung von Frederik Broché, dem ehemaligen Coach des belgischen Radsportverbands, fand er zu seiner alten Leichtigkeit zurück. „Beim Heistse Pijl sahen wir den echten Paul wieder“, sagt Molly. „Er war beweglich, frisch und wieder ein reiner Rennfahrer. Seitdem rollt der Erfolg.“ Gemeinsam mit Dries Van Gestel als starkem Anfahrer gewann Magnier in Serie – fast jeden Sprint, an dem er teilnahm.
Der neue Pogacar?
Mit bislang 17 Siegen in dieser Saison liegt Magnier nur noch knapp hinter Tadej Pogacar, der 20 Rennen für sich entschieden hat. „Um gleichzuziehen, müsste Paul die Gesamtwertung der Tour of Guangxi gewinnen – das ist schwer, aber nicht unmöglich“, meint Molly. Doch er bremst vorsichtige Vergleiche: „Man sollte seine Fähigkeiten am Berg nicht unterschätzen. Als Junior wurde er Dritter beim Alpenklassiker. Paul hat das Zeug, mehr als nur ein Sprinter zu sein.“
Paul Magnier hat die ersten drei Etappen der Tour de Guangxi 2025 gewonnen.
Magniers Vielseitigkeit ist Teil seines Erfolgsgeheimnisses. Während andere reine Topsprinter auf Flachetappen spezialisiert sind, hält sich der Franzose auch auf welligem Terrain vorn. Seine Gegner attestieren ihm nicht nur pure Geschwindigkeit, sondern auch taktische Reife und einen spürbaren Selbstglauben – Eigenschaften, die ihn gefährlich machen.
Konkurrenz im eigenen Team?
Bleibt die Frage nach dem Verhältnis zu Teamkollege Tim Merlier, der ebenfalls eine Ausnahme-Saison mit 16 Siegen fährt. Für Molly kein Problem: „Überhaupt nicht. Die beiden verstehen sich hervorragend. Tim bleibt noch die Nummer eins, er hat die Erfahrung und kennt die größten Gegner wie Olav Kooij. Aber Paul drückt nach – und er kann ihn schlagen.“
Soudal–Quick-Step bereitet sich darauf vor, den Sprintzug künftig stärker auf Magnier auszurichten. Zwar ist der Transfer von Edward Planckaert noch nicht finalisiert, doch laut Molly befindet sich ein Ersatz bereits auf dem Weg. Die Ambition im Team ist klar: den rasanten Aufstieg des jungen Franzosen langfristig zu stützen.
Magnier führt derzeit die Gesamtwertung der Tour of Guangxi an, nach drei Siegen in ebenso vielen Etappen. Bleibt er in dieser Form, könnten die kommenden Tage ein weiteres Kapitel seines beeindruckenden Spätsaison-Märchens schreiben. Die Berge werden dabei zum Prüfstein – und vielleicht zur nächsten Bühne seines Wachstums.