„Stellen Sie sich vor, dies wäre ein Frauenrennen gewesen“ – Niederländischer Experte über Kritik am Frauenradsport und Doppelstandards

Radsport
Dienstag, 30 September 2025 um 18:00
Tadej Pogacar
Die Weltmeisterschaften in Kigali boten am vergangenen Wochenende zwei Rennen, die kaum unterschiedlicher hätten verlaufen können – und genau darin fand Marijn de Vries eine Gelegenheit zur scharfen Beobachtung. Die ehemalige niederländische Profi-Fahrerin nutzte im Vlammen-Podcast satirische Spitzen, um die gängigen Vorwürfe gegen den Frauenradsport umzudrehen und auf das Männerrennen anzuwenden.
Während das Damenrennen durch Taktik, Überraschungen und einen packenden Schlagabtausch geprägt war – gekrönt vom unerwarteten Triumph der Kanadierin Magdeleine Valleries –, dominierte bei den Männern einmal mehr Tadej Pogacar. Der Slowene setzte 100 Kilometer vor dem Ziel am Mont Kigali zur Attacke an, riss das Feld auseinander und fuhr schließlich in überlegener Manier allein zum Titel. Für viele Zuschauer und Beobachter war dies ein Déjà-vu: Schon 2024 in Zürich hatte Pogacar auf ähnliche Weise triumphiert.
De Vries nahm diesen Kontrast zum Anlass, um satirisch auf die Kritik einzugehen, die häufig gegen Frauenrennen geäußert wird. „Stellen Sie sich vor, es wäre ein Damenrennen gewesen“, sagte sie. „Dann hätte es geheißen: Warum lassen sie das alles zu? Jeder weiß, Pogacar greift an – und trotzdem fahren sie wie Schafe zur Schlachtbank. Am Ende greift er an, macht genau das, was er immer macht, und fährt einfach davon. Superlangweilig.“
Die Aussagen von de Vries beleuchten ein tieferes Problem: Während Frauenrennen in sozialen Medien oft vorschnell als „langweilig“ oder „nicht professionell“ abgetan werden, zeigt sich im Männerfeld zunehmend eine Monotonie, die von einer kleinen Elite dominiert wird. Seit Jahren teilen sich Pogacar, Jonas Vingegaard, Remco Evenepoel und Mathieu van der Poel die großen Titel fast untereinander auf. Allein Pogacar und Vingegaard haben seit 2021 jede Tour de France unter sich ausgemacht, während bei den Monumenten 18 der letzten 21 Ausgaben an nur drei Fahrer gingen.
De Vries spitzte diese Schieflage weiter zu: „Was sagt es über den Herrenradsport, dass ein Fahrer derart herausragt? Kann man das professionell nennen? Vielleicht trainieren oder essen die anderen einfach nicht richtig.“ Ihr Kommentar zielte klar auf die oft herablassenden Analysen, die Frauenrennen seit Jahren begleiten.
Während das Herrenrennen trotz Pogacars Brillanz für viele eintönig wirkte, war das Damenrennen in Kigali ein Paradebeispiel für Spannung und Unvorhersehbarkeit. Valleries’ Coup brachte nicht nur ein neues Gesicht ins Rampenlicht, sondern unterstrich auch, wie sehr taktische Vielfalt den Reiz eines Wettbewerbs ausmachen kann.
De Vries’ Fazit fiel deutlich aus: „Das Damenrennen war großartig. Und das Herrenrennen fand ich wirklich langweilig.“ Ein Urteil, das die gewohnten Erzählungen über Geschlechter im Radsport auf den Kopf stellt – und vielleicht ein Anlass, gängige Klischees endlich zu hinterfragen.
Tadej Pogacar
Wie schon 2024 fuhr Tadej Pogacar bei den Weltmeisterschaften zu einem souveränen Solosieg. @Imago
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