Noch bevor die Strecke des Giro d’Italia 2026 offiziell vorgestellt wird, entscheidet sich für
Remco Evenepoel, wohin sein Frühjahr steuert: Ardennen, Giro – oder ein spektakulärer Abstecher auf das Terrain von Mathieu van der Poel und Tadej Pogačar. Ein möglicher Start bei Milano–Sanremo und sogar der
Flandern-Rundfahrt sorgt seit Tagen für Diskussionen.
Für
Johan Bruyneel jedoch ist klar: Ein Ronde-Debüt des belgischen Superstars wäre ein strategischer Fehler – und vor allem ein gefährliches Experiment mit wenig Aussicht auf echten Lohn.
„Kein Fan dieser Idee“ – Bruyneels deutliche Absage an die Ronde-Pläne
Im Podcast The Move machte der frühere Tour-Siegerdirektor unmissverständlich klar, dass er Evenepoels Frühjahr klar strukturiert sehen möchte: Ardennen statt Kopfsteinpflaster, Klassikerkompetenz statt Kollision mit den Monument-Monstern.
„Man kann die Flandern-Rundfahrt und den Giro fahren“, sagte Bruyneel. „Aber es fällt mir schwer zu sehen, dass Remco auf Flèche Wallonne und Lüttich–Bastogne–Lüttich verzichtet, die viel näher am Giro liegen.“
Die Gerüchte um ein Ronde-Debüt kommentierte er noch schärfer: „Ich bin absolut kein Fan dieser Idee.“
Für ihn ist Evenepoel schlicht kein Fahrerprofil, das aus dem Stand erfolgreich bei der Flandern-Rundfahrt auftreten kann. Zu viel Verkehr, zu viele Übergänge, zu viel Chaos – und vor allem: Positionierung, Positionierung, Positionierung.
„Die Ronde ist so ein spezielles Rennen. Positionierung ist dort alles. Selbst wenn man dort lebt – und man ist es noch nie gefahren – vergiss es.“
Ein Rennen voller Risiken – ohne realistische Siegchance?
Bruyneel weiß, wovon er spricht. Er wuchs selbst am Fuß des Bosberg auf und fuhr die Ronde in seinem ersten Profijahr einmal – und nie wieder. Seine Begründung: Die Kombination aus Härte, Chaos und Crash-Gefahr sei einzigartig.
Für Evenepoel, der in den vergangenen Jahren mehrfach schwere Stürze einstecken musste, sei das Risiko besonders hoch.
„Remco kommt ständig von Pech zurück. Sein Sturz in der Lombardei, der Crash im Baskenland, dann wieder der Unfall mit dem Auto im Winter… Er braucht nicht noch so etwas. Ihn in diese Umgebung zu stellen – das ist eine schlechte Idee.“
Auch aus sportlicher Sicht erkennt Bruyneel keinen zwingenden Vorteil. Ein Fahrer, der im Frühjahr auf den Giro zusteuert, müsse seine Energie dort investieren, wo die Chancen real sind – nicht dort, wo Legenden wie Van der Poel und Pogačar seit Jahren dominieren.
Spencer Martin: „Das wohl schwierigste Rennen, was Skills angeht“
Co-Host Spencer Martin sieht ebenfalls massive Herausforderungen. Für ihn ist die Ronde sogar das technisch anspruchsvollste Rennen überhaupt – anspruchsvoller als Paris–Roubaix.
„Man muss jede Sekunde wissen, wo man hinfährt. Positionierung, Wind, Straßenführung – das ist der höchste Level. Selbst wenn man physisch stark genug wäre, muss man das Rennen erst einmal überleben.“
Er hält es zwar für möglich, dass ein früh angesetzter Angriff Evenepoel in eine gute Ausgangslage bringen könnte. Doch die finalen Anstiege Oude Kwaremont und Paterberg seien so brutal, dass ein Wegbleiben vor Van der Poel und Pogačar kaum realistisch erscheint.
Ein Experiment mit wenig Upside
Am Ende bleibt eine nüchterne Einschätzung: Evenepoel kann in Flandern stark aussehen – aber nicht stark genug, um das Risiko zu rechtfertigen. Und das Risiko ist groß: Crashs, verlorenes Training, ein möglicher Rückschlag in einer Saison, die ohnehin im Zeichen des großen Duells mit Pogačar steht.
Bruyneel fasst es am deutlichsten zusammen:
„Wenn sich das bestätigt, halte ich es für eine schlechte Idee. Ich weiß, Fans in Belgien würden es lieben. Aber ich sehe nicht, dass er dort eine Rolle spielt. Und wenn das nicht der Fall ist – warum sollte man es tun?“
Mit der Giro-Präsentation rückt die Entscheidung näher. Sie wird die Weichen für Evenepoels gesamte Saison stellen – und womöglich auch zeigen, wie viel Risiko das neue Red-Bull-Projekt wirklich bereit ist einzugehen.