Antonio Tiberis
Vuelta a Espana 2025 verläuft bisher weit entfernt von den Erwartungen vieler Experten. Nach elf Etappen liegt der Italiener auf Rang 43 der Gesamtwertung und mehr als 47 Minuten hinter Spitzenreiter
Jonas Vingegaard. Tiberi war mit dem Ziel gestartet, die Gesamtwertung anzugreifen, doch Formschwankungen und äußere Umstände haben ihn bisher zurückgeworfen. Im Gespräch mit Marca sprach er offen über seine Kämpfe, die Dominanz von Vingegaard und die Herausforderungen des modernen Profiradsports.
„Ich fühle mich schon ziemlich müde, aber das ist normal bei einer Grand Tour, besonders wenn es die zweite in einem Jahr ist“, erklärte Tiberi. „Ich habe einen sehr wichtigen Teamkollegen verloren: Damiano Caruso, der sich vor dem Start an der Hand verletzte und nicht starten konnte. Seine Abwesenheit war spürbar, denn er hat auch mental viel zur Gruppe beigetragen und war ein Vorbild für alle. Trotzdem ist es uns gelungen, ein geschlossenes und solides Team zu bilden. Wir haben La Roja schon seit einigen Tagen, und ich denke, wir arbeiten sehr gut zusammen.“
Unsicherer Start, angegriffene Form
Tiberi gestand, dass er bei seinem Vuelta-Start nicht sicher war, ob er die nötige Form für ein starkes Gesamtklassement hat. „Als ich hierher kam, wollte ich die Gesamtwertung gewinnen, aber ich war mir nicht 100 Prozent sicher, wie es um meine Kondition bestellt war. Ich habe mich zwei oder drei Tage lang nicht wohl gefühlt und brauchte eine Bestätigung, wie es mir geht. Außerdem waren meine Beine vom Giro d’Italia bereits stark belastet, sodass ich wusste, dass ich hier mehr kämpfen müsste als sonst.“
Die Dominanz von Jonas Vingegaard hat Tiberi vor allem auf den schweren Etappen beeindruckt. Der Visma - Lease a Bike-Fahrer führt die Vuelta mit zwei Etappensiegen an, während Tom Pidcock und Joao Almeida als seine engsten Verfolger auftreten. Tiberi konnte auf den Anstiegen nicht mithalten und musste sich früh eingestehen, dass der Däne aktuell die Nase vorn hat.
„Das Rennen verläuft so, wie wir es erwartet haben. Vingegaard wirkt sehr ruhig, und es scheint nicht so, als wolle er das rote Trikot früh übernehmen, um sein Team zu schonen. Er hat alles unter Kontrolle und bleibt selbst in den schwierigsten Momenten entspannt. Das zeigte er am Sonntag, als er zehn Kilometer vor dem Ziel attackierte und sich problemlos durchsetzte. Es wird extrem schwer sein, ihm diese La Vuelta noch abzunehmen.“
Gedanken über die Zukunft des Profiradsports
Über die unmittelbare Vuelta hinaus reflektierte Tiberi auch über die Anforderungen des modernen Profiradsports, insbesondere im Hinblick auf Tadej Pogacars Abwesenheit und dessen mögliche mentale Erschöpfung. Der Slowene, der zahlreiche Monumente, vier Gelbe Trikots, einen Giro d’Italia und die Weltmeisterschaft gewonnen hat, zeigte nach einem langen Frühjahr mit Duellen gegen Mathieu van der Poel und einem weiteren kräftezehrenden Tour-Sieg erstmals Anzeichen mentaler Müdigkeit.
„Ich kann das verstehen. In den letzten Jahren wurde das Leben eines Profis auf die Spitze getrieben: Man muss sich um jedes Detail kümmern, um an der Spitze zu bleiben. Das führt dazu, dass man schneller an seine körperlichen und geistigen Grenzen stößt. Früher konnte man mit einer gewissen Leichtigkeit bis 40 Rennen fahren. Heute ist es kaum möglich, in diesem Alter noch große Ziele zu verfolgen.“
Tiberi ergänzt, dass die Karrieren junger Profis insgesamt kürzer werden könnten. „Früher lag das normale Karrierealter zwischen 35 und 40 Jahren. Heute sehe ich es eher bei 30 bis 35 Jahren, vor allem für die Generation, die schon mit 19 oder 20 Jahren als Profi beginnt. Der Druck und die Intensität steigen, und das wirkt sich auf die Langlebigkeit aus.“