Die zweite Etappe der
Vuelta a Espana verlief ganz im klassischen „Unipuerto“-Stil: eine weitgehend flache Strecke, ehe mit dem Schlussanstieg nach Limone Piemonte (9,9 km à 5,1 %) die Entscheidung fallen sollte. Der Berg bot ideale Voraussetzungen nicht nur für reine Kletterer, sondern auch für Puncheure in Topform.
Früh setzten sich Liam Slock, Jakub Otruba, Nico Denz und Gal Glivar ab. Doch Denz musste bereits nach wenigen Kilometern abreißen lassen, während sich später Sinhué Fernández aus dem Hauptfeld heraus nach vorn kämpfte und die Ausreißergruppe verstärkte. Viel Raum ließ man ihnen allerdings nicht: Das Team Q36.5 kontrollierte das Rennen von Beginn an und hielt den Vorsprung konstant unter zweieinhalb Minuten.
Lange blieb es unspektakulär – bis der Regen einsetzte. Plötzlich wurde das Rennen hektisch, die Abfahrten rutschig. Guillaume Martin erwischte es als Ersten: Sturz und Aufgabe. Kurz darauf ging auch George Bennett zu Boden, konnte jedoch weiterfahren. Etwa 25 Kilometer vor dem Ziel kam es dann zum großen Knall: In einem Kreisverkehr stürzten über ein Dutzend Fahrer, darunter die Topstars
Jonas Vingegaard und
Tom Pidcock, sowie fast das gesamte Visma-Team.
Zum Glück schien sich niemand ernsthaft verletzt zu haben, und das Feld neutralisierte kurzzeitig das Tempo, um die Gestürzten wieder heranzuführen. Im Finale bestimmten vor allem Lidl-Trek und Visma das Tempo und bereiteten das Terrain für ihre Kapitäne.
Der Schlussanstieg blieb bis zwei Kilometer vor dem Ziel relativ unspektakulär. Dann eröffnete Tom Pidcock den Sprint – deutlich zu früh. Er fiel zurück, und die Etappe entwickelte sich zum Zweikampf zwischen Giulio Ciccone und Jonas Vingegaard. Auf den letzten Metern hatte der Däne den entscheidenden Punch und sicherte sich hauchdünn den Sieg – und dazu das Rote Trikot. David Gaudu überraschte als Dritter und rundete das Podium ab.
Am Ende baten wir unsere Autoren, ihre Eindrücke zu teilen und die wichtigsten Erkenntnisse dieses turbulenten Tages zusammenzufassen.
Pascal Michiels (RadsportAktuell)
Das ist ein ganz anderer Jonas Vingegaard als der, den wir bei der Tour de France erlebt haben. Es geht nicht allein um den Etappensieg, sondern vor allem um seine Körpersprache. Natürlich spielt das Fehlen von Tadej Pogačar eine Rolle, doch der Kontrast ist frappierend. Wer ihn kennt, erkennt in dieser Vuelta den „alten“ Vingegaard wieder: entspannt, mit jedem im Gespräch, scherzend – und nach dem Sieg ganz locker seine Frau anrufend: „Wenn du mich morgen nicht siehst, bin ich der Mann in Rot.“
Für Radsportfans ist es erfrischend, diesen authentischen Einblick in sein Wesen zu bekommen. Wout van Aert sagt oft, Vingegaard sei einfach „ein guter Kerl“ – und genau das spürt man in diesen Momenten. Erfolg verändert Menschen, und der Druck kann selbst die härtesten Fahrer schwer belasten. Umso bemerkenswerter ist es, Vingegaard hier so frei und unbeschwert zu erleben.
Diese entspanntere Version von ihm könnte den Ton für die gesamte Vuelta vorgeben. Ohne den permanenten Druck des Duells mit Pogačar scheint er mit mehr Selbstvertrauen und Freude zu fahren. Seine Gelassenheit verwandelt sich in Konstanz und Stärke – eine gefährliche Kombination für die Konkurrenz.
Wenn er diese Haltung beibehält, war dieser Sieg vielleicht mehr als nur ein Etappenerfolg: Es könnte der Beginn einer Vuelta sein, die er nach seinen eigenen Bedingungen kontrolliert. Oder, wie er es selbst formulieren würde: Morgen ruft er seine Frau wieder an – und warnt sie vor dem schlechten Wetter.
Víctor LF (CiclismoAlDía)
Die zweite Etappe der Vuelta a Espana 2025 schien zunächst so ereignisarm zu verlaufen wie die Auftaktetappe – bis der einsetzende Regen das Rennen völlig veränderte. Mehrere Fahrer gingen im Peloton zu Boden, darunter auch Jonas Vingegaard.
Der Däne ließ sich davon jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Im Finale zeigte er seine gewohnte Stärke und setzte sich im Bergaufsprint gegen Giulio Ciccone durch. Der Italiener, der zuletzt bei der Clásica de San Sebastián triumphiert hatte, bestätigte erneut seine herausragende Form. Ob er bei dieser Vuelta auf die Gesamtwertung zielt, sich auf Etappensiege konzentriert oder gar beides ins Visier nimmt, bleibt spannend – doch er ist bereits jetzt einer der prägendsten Fahrer des Rennens.
Besonders positiv fiel auch Egan Bernal auf: Der Kolumbianer gehörte zu der kleinen Gruppe von vier Fahrern, die im Schlussanstieg ein paar Sekunden auf die übrigen Favoriten herausholten. Ein weiteres Zeichen, dass Bernal auf dem Weg zurück zu alter Stärke ist.
Ein schwerer Sturz traf wichtige Fahrer wie Jonas Vingegaard oder Tom Pidcock
Rúben Silva (CyclingUpToDate)
Es war eine durchaus interessante Etappe. Vom Profil her versprach sie zwar wenig Spektakel – ein klassischer Schlussanstieg, der fast zwangsläufig in einem Sprint der kletterstarken Fahrer enden würde. Doch die Tatsache, dass es auf 80 % des Anstiegs zu einer regelrechten Ausreißerschlacht kam, machte sie zu einem durchaus ungewöhnlichen Rennen.
Der einsetzende Regen veränderte das Finale entscheidend: Jonas Vingegaard und Tom Pidcock gingen zu Boden. Zunächst sah es so aus, als hätte Visma am meisten Schaden genommen, doch letztlich war es Pidcock, dem im Schlusssprint die Beine fehlten. Stattdessen kam es zum erwarteten Duell zwischen Vingegaard und Ciccone – und diesmal machte der Kletterfaktor den Unterschied. Der Däne hatte das stärkere Finish und sicherte sich den Sieg.
Im Gesamtbild mag dieser Erfolg noch nicht allzu viel verändern, doch für Vingegaard ist er von großer Bedeutung. Nach dem Sturz eines Großteils seines Teams schickt er mit diesem Triumph ein starkes Signal an die Konkurrenz – psychologisch ein klarer Vorteil, der ihn zusätzlich motivieren dürfte.
Félix Serna (CyclingUpToDate)
Die Etappe war bis in die Schlussphase hinein ähnlich unspektakulär wie am Vortag. Gestern hatten wir noch positiv hervorgehoben, dass es keine Stürze gab – heute war das Gegenteil der Fall.
Regen und Nervosität im Peloton sind eine gefährliche Mischung, und so kam es erneut zu einem Massensturz. Glücklicherweise blieben gravierende Verletzungen aus, doch Axel Zingle hatte es am schwersten erwischt: Er kugelte sich die Schulter aus, ließ sie von den Rennärzten wieder einrenken – und setzte das Rennen fort. Ein weiteres Beispiel dafür, warum Radprofis oft wie Superhelden wirken.
Im Finale versuchte sich Tom Pidcock, startete seinen Sprint jedoch deutlich zu früh. Rang zehn war am Ende enttäuschend, auch wenn der Sturz rund 25 Kilometer vor dem Ziel sicher nicht spurlos an ihm vorbeigegangen ist.
Ganz anders Jonas Vingegaard: Der Topfavorit der Vuelta ließ sich vom Crash überhaupt nicht beirren und bewies, dass seine Form ausgezeichnet ist. Gerade weil das Finale eher explosiv und kurz als lang und kletterlastig war, machte sein Sieg umso mehr Eindruck.
Ohne den dominanten Tadej Pogacar am Start scheint Vingegaard nun selbst in die Rolle des Seriensiegers schlüpfen zu wollen. Während Pogacar die vergangenen Jahre fast nach Belieben Etappen einsammelte, dürfte Vingegaard bei dieser Vuelta versuchen, es ihm gleichzutun – und damit zu zeigen, dass auch er eine Grand Tour mit eiserner Hand kontrollieren kann. Nach seinem Sieg griff er direkt zum Telefon – vielleicht, um Pogacar anzurufen und sicherzugehen, dass der auch nichts verpasst.
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