Die fünfte Etappe des
Criterium du Dauphine führte über eine hügelige Strecke mit vier Anstiegen, die zwar nicht die härtesten waren, aber eine perfekte Gelegenheit für eine Flucht boten, um der Vormacht der Sprinter etwas entgegenzusetzen.
Fünf Fahrer konnten sich absetzen, während Lidl‑Trek und Israel versuchten, das Rennen dahinter zu kontrollieren. Am letzten Anstieg zog Alpecin das Tempo an, um den zu schlagenden Mann, Jonathan Milan, abzuhängen. Der Italiener hatte große Probleme und wurde im letzten Kilometer des Anstiegs abgehängt, doch sein Team brachte ihn danach wieder ins Hauptfeld zurück.
Die Ausreißer kämpften bis zum Schluss, wurden aber mit nur noch 2 km Restdistanz eingeholt. Lidl‑Trek legte einen perfekten Lead‑out für Jonathan Milan, doch er konnte seine volle Power nicht entfalten und wurde vom Israel‑Fahrer Jake Stewart geschlagen. Axel Laurance und Søren Wærenskjold komplettierten das Podium.
Nach Etappenende baten wir einige unserer Redakteure, ihre Einschätzungen und wichtigsten Erkenntnisse zum heutigen Rennverlauf zu teilen.
Rúben Silva (CyclingUpToDate)
Nicht viel zum Sprint zu sagen, aber es ist doch ziemlich überraschend zu sehen, wie sehr Milan diese Woche an den Anstiegen zu kämpfen hat. Er ist natürlich kein großer Kletterer, aber trotz seines Gewichts kann er sich normalerweise besser behaupten als das, was er derzeit zeigt.
Heute schien ihn das den Sieg gekostet zu haben, denn der Lead-out von Lidl war perfekt. Er schien den Sprint zu spät eröffnet zu haben, während Jake Stewart mit einem perfekt getimten Antritt und viel Power einen hochklassigen Sieg einfuhr – ein Erfolg, auf den er lange hingearbeitet hat.
Evenepoel stürzte, und auch wenn es nicht allzu schlimm wirkte, wirft es doch Fragen auf im Hinblick auf das bevorstehende wichtige Wochenende. Es wäre schade, wenn ihn das in den Bergen beeinträchtigen würde, denn ich freue mich darauf, alle drei (Evenepoel, Pogacar, Vingegaard) auf ihrem gewünschten Niveau kämpfen zu sehen – ohne Einschränkungen.
Víctor LF (CiclismoAlDía)
Es gibt nicht viel zu sagen über diese fünfte Etappe des Critérium du Dauphiné 2025. Nach einem intensiven Einzelzeitfahren erlebten wir heute einen klassischen Massensprint des Hauptfeldes.
Die Ausreißergruppe kämpfte bis zuletzt, musste sich aber schließlich zwei Kilometer vor dem Ziel geschlagen geben. Jonathan Milan galt als der große Favorit, doch offenbar hat er den Preis für die Anstrengungen gezahlt, die er aufbringen musste, um an der Gruppe dranzubleiben, als Mathieu van der Poels Team Alpecin-Deceuninck das Tempo verschärfte, um ihn abzuhängen.
Den Überraschungssieg des Tages feierte Jake Stewart, der mit einem kraftvollen und perfekt getimten Sprint für die Sensation der Woche sorgte. Ein großer Erfolg für den Briten, der sich diesen Moment offenbar lange erarbeitet hatte.
Remco Evenepoel kam zu Fall, doch der Sturz ereignete sich innerhalb der letzten drei Kilometer – in der sogenannten „geschützten Zone“ –, sodass er keine Zeit in der Gesamtwertung verlor. Körperlich scheint er ebenfalls keine Verletzungen davongetragen zu haben.
Der Blick richtet sich nun auf die morgige Bergetappe, die eine Schlüsselszene des Rennens verspricht.
Tadej Pogacar steht unter Zugzwang und muss angreifen, wenn er seinen Rückstand aufholen will. Es ist alles angerichtet für ein Spektakel – und die Zuschauer dürfen sich auf ein sportliches Feuerwerk freuen.
Ivan Silva (CiclismoAtual)
Für mich war diese Etappe ein typischer „Transition Stage“, wie man sie von der Tour de France kennt – ein Abschnitt, der kaum TV-Zeit verdient und den Rennveranstalter in Zukunft aus Überlegung streichen sollten. Klar, jede Rundfahrt braucht flache Etappen, aber die heutige bot kaum Zwischenwertungen über große Distanzen – und fühlte sich einfach nur zäh und uninspiriert an.
Was das Rennen selbst angeht, hatte ich den Eindruck, dass französische Teams ins Break geschickt wurden, nur um wenigstens etwas Action ins Rennen zu bringen – ein Kampf fürs Fernsehen, der nie wirklich ernst gemeint war.
Die Etappe schien stark zugunsten von Lidl–Trek verlaufen zu sein: Kein anderes Team unternahm ernsthafte Versuche, Jonathan Milan abzuhängen. Er war praktisch gesetzt als Topfavorit – bis zum unglücklichen Timing. Mit perfekter Taktik liest sich dann Jake Stewart die Situation aus und stiehlt sich in aller Ruhe zum Sieg!
Pascal Michiels (RadsportAktuell)
Nach dem ungewöhnlich kurzen Einzelzeitfahren auf der vierten Etappe steht nun die erste echte Herausforderung in den Hochalpen an. Mit drei entscheidenden Bergankünften in den kommenden Tagen wird die morgige Etappe erstmals echte Rückschlüsse auf den wahren Zustand der Gesamtklassement-Favoriten zulassen.
Remco Evenepoel scheint sich gut von seinem Sturz erholt zu haben. Florian Lipowitz hätte beinahe vom entstandenen Chaos profitiert, doch da sich der Vorfall innerhalb der letzten fünf Kilometer ereignete, hatte er keine Auswirkungen auf die Gesamtwertung des Belgiers.
Evenepoel bleibt weiterhin eine Schlüsselfigur im Kampf um das Gelbe Trikot. Seine Form wirkt stabil – dennoch bleibt abzuwarten, ob der Sturz noch Spuren hinterlassen hat. Auch bei Florian Lipowitz besteht Hoffnung: Kann er morgen erneut eine starke Leistung abrufen?
Félix Serna (CyclingUpToDate)
Nachdem Jonathan Milan in den vergangenen Etappen am Berg so deutlich zu kämpfen hatte, hätte man heute erwarten können, dass er erneut früh abreißen lassen muss. Doch das Gegenteil war der Fall: Der Italiener kletterte erstaunlich stark und verlor erst am Ende des letzten Anstiegs den Anschluss. Sein Team Lidl-Trek nutzte die verbleibende Strecke clever, um ihn wieder ins Hauptfeld zurückzubringen. Dennoch zeigte sich im Finale, dass ihn die Anstrengungen des Tages wohl zu viel Kraft gekostet hatten – jener explosive Punch im Sprint fehlte diesmal einfach.
Trotzdem verdient Lidl-Trek ein großes Lob: Die Mannschaft kontrollierte weite Teile der Etappe, jagte das Feld, als Milan zurückfiel, und stellte ihm im Finale noch drei Helfer zur Seite. Dass es am Ende nicht zum Sieg reichte, schmälert nicht die eindrucksvolle Teamleistung.
Den Tagessieg holte sich Jake Stewart – und wie! Es war sein erster WorldTour-Erfolg und der vierte Profisieg insgesamt. Eigentlich war er als Anfahrer für Pascal Ackermann vorgesehen, doch der Deutsche musste nach einem Sturz die Rundfahrt aufgeben. Stewart übernahm die Kapitänsrolle – und nutzte seine Chance mit Autorität.
Mathieu van der Poel wusste, dass heute seine letzte Siegchance beim diesjährigen Dauphiné war, und versuchte alles. Alpecin-Deceuninck forcierte das Tempo am letzten Anstieg, wo die Steigung über 8 % betrug. Doch am Ende reichte die Tempoverschärfung nicht aus, um die Sprinter entscheidend zu distanzieren. Das Problem: Alpecin hat keinen echten Kletterer im Aufgebot – eine Mannschaft, die auf Sprints und Klassiker fokussiert ist, kommt in solchen Situationen an ihre Grenzen.
Kurz vor dem Ziel – im letzten Kreisverkehr unter einem Kilometer vor dem Zielstrich – kam es zu einer nervösen Situation, wie man sie in einem Massensprint fast erwarten muss. Remco Evenepoel war in einen Sturz verwickelt, ebenso wie einige weitere Fahrer. Glücklicherweise wurde niemand ernsthaft verletzt und da der Vorfall in der 3-Kilometer-Zone geschah, hatte er keine Auswirkungen auf die Gesamtwertung. Dennoch: Solche Vorfälle erzeugen Stress und könnten sich in den kommenden Bergetappen bemerkbar machen.
Die restlichen Klassementfahrer hielten sich zurück – das Terrain war schlicht nicht anspruchsvoll genug, um ernsthafte Attacken zu initiieren. Es war ein klassischer Übergangstag, den alle ohne größere Verluste überstehen wollten. Ab morgen aber dürften die ersten echten Feuerwerke gezündet werden. Ein spannendes Wochenende steht bevor!