"Die besten Fahrer sind heute jene, die das Gleichgewicht finden" - Tom Dumoulin über seinen Rücktritt, Visma, Tadej Pogacar und Mathieu van der Poel

Radsport
Sonntag, 20 April 2025 um 14:10
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Tom Dumoulin zählt zu den talentiertesten Fahrern seiner Generation und hat mehr erreicht, als sich viele je erträumen. Doch der Wandel im Profiradsport – mit zunehmender Kontrolle und Leistungsdruck – raubte dem Niederländer nach und nach die Motivation. Am Ende stand der vorzeitige Rücktritt.
Der Kontrast zu seinen Anfängen im Team Argos-Shimano könnte kaum größer sein. "Vielleicht war das der Moment, an dem der Funke übergesprungen ist. In meinen ersten Profijahren fühlte sich alles wie ein wahr gewordener Traum an", sagte Dumoulin im Interview mit Het Nieuwsblad. "Bei meiner ersten Tour mit Argos-Shimano gewannen wir vier Etappen mit Marcel Kittel. Ich hatte eine wichtige Rolle im Sprintzug und durfte mich auf den anderen Etappen frei entfalten. Rückblickend war das die schönste Zeit meiner Karriere."
Als er 2022 seine Karriere beendete, hatte sich das Gefühl ins Gegenteil verkehrt. "Ich konnte einfach nicht mehr. Es erfüllte mich nicht. Ich war nur noch ein Darsteller. Die Ernährungsberaterin sagte mir, was ich essen soll, der Trainer bestimmte, wie ich trainiere – ohne zu fragen, wie es mir dabei geht. Da bin ich steckengeblieben."
Dumoulin wurde 2012 Profi und blieb bis 2019 bei Sunweb. "In den ersten Jahren bekam ich Teile des Puzzles: der Trainer, die Ernährung – alles war spannend. Ich habe mich mit Begeisterung hineingestürzt. Aber am Ende war ich selbst nur noch ein Teil im Puzzle eines anderen."
Mit seinem Giro-Sieg, dem Zeitfahr-Weltmeistertitel und einem Podium bei der Tour de France war Dumoulin ein Ausnahmekönner. Doch der moderne Radsport entwickelte sich weiter – mit Fokus auf marginale Gewinne und absolute Kontrolle. Das wurde zunehmend zum Problem.
Es ging nicht darum, dass Dumoulin an Qualität verlor. Doch bei Etappenrennen und Grand Tours fehlte ihm am Ende der letzte Schritt – ein Entwicklungssprung, den einige seiner früheren Rivalen machten. Fahrer, die er einst schlug, klettern heute auf einem deutlich höheren Niveau.
"Die besten Fahrer sind heute jene, die das Gleichgewicht finden", sagt er. "Pogacar und Van der Poel wurden früh ermutigt, auf ihre Instinkte zu hören. Mathieu hat noch immer viel Autonomie. Er lebt diszipliniert und nutzt die Wissenschaft – aber er trifft selbst Entscheidungen über seinen Rennkalender."
Auch Teams wie Visma feiern Erfolge mit ihrem datengetriebenen Ansatz – für Dumoulin war das aber nicht der richtige Weg. "Sie haben mit ihrer Methodik viel erreicht. Aber gerade für ein Team wie Visma ist es entscheidend, die richtige Balance zu finden: zwischen Daten, Wissenschaft und menschlichem Coaching."
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