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Tour de France 2025 steht unmittelbar bevor – nur noch zehn Tage bis zum Start. Und schon jetzt steigt die Vorfreude auf das, was eine denkwürdige Rundfahrt werden könnte. Können Jonas Vingegaard oder Remco Evenepoel Tadej Pogacar gefährlich werden? Wer wird sich die Sprintkrone sichern? Und sehen wir Mathieu van der Poel endlich in Hochform durch den Juli tanzen?
In den kommenden Tagen werfen wir einen Blick zurück auf einige der unvergesslichsten Momente der Tour-Geschichte. Heute beginnen wir mit einer der spektakulärsten Bergfahrten überhaupt: Marco Pantanis Rekordfahrt auf der Alpe d’Huez 1997.
Die 13. Etappe der Tour 1997: Pantanis magische Stunde
Es war die 13. Etappe der Tour de France 1997, tief in den Alpen. Am Fuß der legendären Alpe d’Huez zündete
Marco Pantani seine Attacke. Mit einer explosiven Tempoverschärfung distanzierte er das Feld im Handumdrehen. Die Zuschauer entlang der 21 berühmten Haarnadelkurven wurden Zeugen eines Kletterkunstwerks. Pantani tanzte aus dem Sattel, beschleunigte mit jeder Kurve und vergrößerte stetig seinen Vorsprung.
Jan Ullrich, der damals überragende Mann im Gelben Trikot, konnte Pantanis Tempo nicht folgen. Auch Richard Virenque und die restliche Kletterelite mussten kapitulieren. Schon zur Hälfte des Anstiegs war klar: Pantani war an diesem Tag in einer eigenen Liga unterwegs.
Nach 37 Minuten und 35 Sekunden erreichte der Italiener das Ziel an der Spitze der Alpe d’Huez. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 23 km/h auf dem 13,8 Kilometer langen Anstieg bei durchschnittlich 8 Prozent Steigung setzte er eine Marke, die bis heute unerreicht ist.
Selbst spätere Größen wie Lance Armstrong scheiterten daran, diese Zeit zu unterbieten. Pantanis Fahrt gilt bis heute als vielleicht größter Kletterritt der Tour-Geschichte.
Ein Rekord gegen einen übermächtigen Gegner
Besonders beeindruckend wird Pantanis Leistung im Rückblick auf die damalige Gesamtwertung. Jan Ullrich gewann die Tour 1997 souverän mit neun Minuten Vorsprung vor Virenque. Pantani landete als Dritter mit über 14 Minuten Rückstand. Doch an diesem Tag auf der Alpe d’Huez konnte selbst der dominierende Ullrich dem „Piraten“ nichts entgegensetzen.
Der Triumph von 1998 und das tragische Schicksal
Pantanis Auftritt 1997 war das Signal für seine größte Saison: 1998 gelang ihm das historische Double aus Giro d’Italia und Tour de France. Es war das erste Giro-Tour-Double eines Italieners seit Jahrzehnten. Seine dramatische Attacke im eiskalten Regen über mehrere Alpenpässe auf dem Weg zum Tour-Sieg festigte seinen Status als der wohl beste Kletterer seiner Zeit.
Besonders bemerkenswert: Im Prolog der Tour 1998 verlor Pantani im Zeitfahren über vier Minuten auf Ullrich und wurde nur 181. von 189 Fahrern. Doch seine Bergstärke ließ ihn das Blatt wenden. Am Ende triumphierte er mit sechs Minuten Vorsprung – ein Beleg für seine einzigartige Klasse in den Höhen der Alpen.
Doch der steile Aufstieg mündete bald in einen tragischen Fall. 1999 wurde Pantani beim Giro disqualifiziert, nachdem sein Hämatokritwert einen kritischen Wert überschritt – ein klarer Hinweis auf EPO-Doping. Es war der Anfang vom Ende. Verletzungen, Sperren und Depressionen prägten seine letzten Jahre. Am 14. Februar 2004 starb Marco Pantani im Alter von nur 34 Jahren an einer Überdosis Kokain in einem Hotelzimmer.
Zwischen Legende und Schatten
Pantanis Rekord auf der Alpe d’Huez ist ein Symbol der Ambivalenz des Radsports in den 1990er Jahren. Einerseits steht diese Fahrt für eine schier unglaubliche sportliche Leistung, die selbst Jahrzehnte später noch unerreicht ist. Andererseits ist sie Teil einer Zeit, die von systematischem Doping geprägt war.
Der moderne Radsport hat sich seitdem grundlegend verändert. Striktere Kontrollen und Reformen haben für realistischere Leistungen an den großen Anstiegen gesorgt. Selbst Giganten wie Pogacar und Vingegaard blieben 2022 bei ihrem Alpe-d’Huez-Duell deutlich hinter Pantanis Zeit zurück. Thibaut Pinot benötigte 2015 sogar über 41 Minuten für die gleiche Strecke.
Pantanis Erbe bleibt deshalb zweigeteilt: Er wird verehrt als einer der größten Kletterer, die je die Tour geprägt haben. Gleichzeitig steht seine Geschichte aber auch als Mahnung für eine dunkle Ära des Sports, in der Triumphe und Tragödien oft nur einen schmalen Grat trennten.
Für viele Tour-Fans bleibt jener Tag 1997 unvergessen: der Tag, an dem Marco Pantani auf der Alpe d’Huez dem Himmel ein Stück näher kam — für immer zwischen Ehrfurcht und Bitterkeit.