ANALYSE | Tadej Pogacar jagt Merckx und Coppi – doch kann Remco Evenepoel seine Lombardei-Dominanz brechen?

Radsport
Freitag, 10 Oktober 2025 um 15:30
TadejPogacar (4)
Am Samstag, den 11. Oktober 2025, kehrt die Lombardei-Rundfahrt zurück – 241 Kilometer, 4.400 Höhenmeter, eine Strecke von Como nach Bergamo. Das letzte Monument des Jahres, der „Klassiker der fallenden Blätter“, markiert traditionell den Schlussakkord der Radsportsaison. Doch diesmal geht es um mehr als nur das Finale einer langen Saison – es geht um Geschichte.

Der Mann, der Geschichte schreiben will

Tadej Pogacar steht am Start nicht nur als Weltmeister, Europameister und Tour-de-France-Sieger. Er steht als Mann, der im Begriff ist, etwas zu vollbringen, was seit Fausto Coppi niemand mehr geschafft hat: fünf Siege in Folge bei der Lombardei. Der Slowene könnte am Samstag den Rekord des „Campionissimo“ einstellen – und gleichzeitig eine der größten Eintagesserien der modernen Radsportgeschichte fortsetzen.
Seit 2021 hat Pogacar jede Ausgabe dieses Herbstklassikers gewonnen. Im vergangenen Jahr dominierte er das Rennen nach Belieben und fuhr mit dem größten Vorsprung seit Eddy Merckx 1971 ins Ziel. „Jeder Sieg ist etwas Besonderes“, sagte er damals, „das Team hat das ganze Jahr über hart gearbeitet, und heute war es nicht anders.“ Nun steht er vor der vielleicht bedeutendsten Etappe seiner Karriere – jener, die seinen Namen endgültig in die Geschichtsbücher einmeißeln könnte.

Ein Saisonfinale wie aus einem Guss

Pogacars Form 2025 ist von erschreckender Konstanz geprägt. Er gewann die Flandern-Rundfahrt, triumphierte solo bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, wurde Zweiter bei Paris-Roubaix und Mailand–Sanremo – jeweils knapp hinter Mathieu van der Poel. Wäre dieser Sprint in Sanremo anders ausgegangen, hätte Pogacar bereits alle fünf Monumente des Jahres gewonnen. Dazu kamen ein dominanter Tour-de-France-Triumph, der Weltmeistertitel in Kigali und der Europameistertitel nach einem 75-Kilometer-Solo.
Seine Gegner wissen: Wenn Pogacar in dieser Form startet, bleibt kaum Raum für Hoffnung. Er selbst bleibt dennoch bescheiden. „Jedes Jahr möchte ich eine bessere Version meiner selbst sein“, sagte er nach dem EM-Sieg. „Ich versuche, neue Rennen zu entdecken und Erfahrungen zu sammeln. Ich habe das Glück, an solchen Tagen auf dem Rad zu sitzen – und ich will das genießen, solange es geht.“

Das Podium der Monumente – ein weiterer Rekord in Reichweite

Selbst wenn Pogacar am Samstag nicht gewinnt, könnte er Geschichte schreiben. Nach Platz drei bei Mailand–Sanremo, Siegen in Flandern und Lüttich sowie Rang zwei bei Paris-Roubaix wäre ein Podiumsplatz in Bergamo der erste „Podiumssweep“ in der Geschichte der Monumente – also Platzierungen in den Top drei bei allen fünf Klassikern innerhalb eines Jahres.

Die Strecke: klassisch, aber gnadenlos

Die 2025er Ausgabe folgt erneut dem bekannten Muster: eine Mischung aus harten Anstiegen, technischen Abfahrten und unnachgiebigem Terrain. Der Anstieg zum Ghisallo gleich zu Beginn fordert die Beine früh, während Rampen wie die Roncola Alta mit ihren 17 Prozent Steigung und die serpentinenreiche Abfahrt des Selvino die Spreu vom Weizen trennen. Das Kopfsteinpflaster am Colle Aperto in Bergamo wird schließlich zum ultimativen Test für jene, die nach sechs Stunden Rennzeit noch explosive Reserven besitzen.
UAE Team Emirates dürfte auf sein bewährtes Rezept setzen: frühe Kontrolle, selektives Tempo und taktisch platzierte Helfer, um Pogacar in den finalen Anstiegen optimal zu positionieren.

Evenepoel als einziger ernsthafter Herausforderer

Remco Evenepoel ist der Mann, dem am ehesten zugetraut wird, Pogacar Paroli zu bieten. Der Belgier schlug den Slowenen im WM-Zeitfahren deutlich und scheint auf den Anstiegen näher denn je. Doch während Pogacar seine Form seit März hält, musste Evenepoel immer wieder Rückschläge kompensieren. Ohne Jonas Vingegaard – der nach seiner enttäuschenden EM-Rückkehr pausiert – wird der Belgier die Hauptrolle im Duell um den Sieg übernehmen.

Mehr als nur ein Rennen

Die Lombardei ist mehr als das letzte Monument – sie ist der symbolische Schlusspunkt der Saison. Hier, zwischen den Weinbergen und Serpentinen Norditaliens, schließt sich der Kreis eines Jahres, das von Pogacars Dominanz geprägt war.
Wenn er am Samstag gewinnt, zieht er mit Coppi gleich – ein Meilenstein, der ihn endgültig in die Riege der größten Fahrer der Geschichte einreiht. Sollte er „nur“ aufs Podium fahren, wäre es der erste Monument-Podiumssweep aller Zeiten.
So oder so: In Bergamo entscheidet sich am Samstag nicht nur ein Rennen, sondern ein Kapitel Radsportgeschichte.
Klatscht 0Besucher 0
loading

Gerade In

Beliebte Nachrichten

Loading