Tadej Pogacar ist nicht der Sieger des Augenblicks, doch bei den Weltmeisterschaften in Kigali richtet sich jede Kamera auf ihn. Die Frage, die das Fahrerlager bewegt: Kann der Slowene seinen Titel verteidigen oder droht ihm nach dem Rückschlag im Zeitfahren eine weitere Enttäuschung? Ex-Profi und Eurosport-Experte Bobbie Traksel liefert eine klare Einschätzung.
„Wer bei diesem Zeitfahren Weltklasse sein will, braucht mehr Kilometer im Kampf gegen die Uhr und weniger Kanada-Rennen“, erklärt Traksel im Kop over Kop-Podcast. „Die Reisen, der Jetlag – das wirft dich aus dem Rhythmus. Selbst wenn Pogacar alles perfekt gemacht hätte, wäre er nicht sicher Weltmeister geworden. Am Ende hätte es wohl nur zu Platz zwei gereicht.“
Pogacar zwischen Enttäuschung und neuer Chance
Die Niederlage im Zeitfahren gehört für Pogacar dennoch nicht zum eigentlichen Wochenziel. Viel schwerer wiegt die Frage, wie er die Straßen-WM am Sonntag taktisch angeht. Die Konkurrenz wittert nach Platz vier im Zeitfahren eine Chance, während Pogacar selbst versucht, die Balance zwischen Geduld und Angriffslust zu finden.
Tadej Pogacar und Primoz Roglic werden diesen Sonntag erneut zusammenarbeiten. @Imago
„Es wird Teams geben, die denken: Er war geschlagen, also können wir ihn wieder schlagen“, so Traksel. „Aber theoretisch ist er der Einzige, der auf diesem Kurs Weltmeister werden kann.“
Die Strecke in Kigali mit einer über 100 Kilometer langen Bergetappe direkt nach dem Start könnte frühe Attacken begünstigen. Doch ob Pogacar wie im vergangenen Jahr aus der Ferne angreift, ist fraglich. „Das Feld wird schneller auseinanderfallen als gewöhnlich“, sagt Traksel. „Dann gibt es Fahrer wie Evenepoel – aber auch Pogacar – die lieber in kleinen Gruppen ohne viele Teamkollegen an der Spitze fahren.“
Risiko als Schlüssel zum Sieg
Traksel sieht vor allem ein mögliches Szenario für Pogacars Gegner: Mut. „Am Ende wird es ein langes Finale. Wer Pogacar schlagen will, muss wagen zu verlieren“, analysiert der Niederländer. „Wenn Pidcock geht, darf man nicht sofort reagieren. Man muss Pogacar die Arbeit machen lassen. Und wenn er attackiert wie in Zürich, brauchst du drei oder vier Fahrer, um die Lücke wieder zu schließen.“
Eine weitere Unbekannte bleibt
Primoz Roglic. Der Routinier teilt zwar das slowenische Trikot mit Pogacar, doch ob er sich in eine klare Helferrolle fügt, ist offen. Traksel zweifelt: „Roglic sieht seine Chance, Weltmeister zu werden – auf Pogacars Rücken. Genau so, wie Vingegaard die Tour 2023 gewonnen hat. Dieses Spiel wollen sie jetzt wiederholen.“
Damit steht fest: Pogacar mag angeschlagen wirken, doch er bleibt der zentrale Mann in Kigali. Wer ihn schlagen will, muss bereit sein, alles zu riskieren.