Derek Gee hat sich in kürzester Zeit zu einem der überraschendsten Aufsteiger im Profiradsport entwickelt. Der 27-jährige Kanadier, einst als unermüdlicher Helfer bekannt, gehört nun zu den Anwärtern auf das Gesamtpodium beim Giro d’Italia 2025.
Vom Kämpfer zum Kapitän
Gee sorgte 2023 beim Giro mit seiner aggressiven Fahrweise für Aufsehen und wurde als kämpferischster Fahrer ausgezeichnet. 2024 folgte der Durchbruch: Ein Etappensieg und ein Gesamtpodium beim Critérium du Dauphiné sowie Rang neun bei seiner Tour-de-France-Premiere rückten ihn endgültig ins Rampenlicht.
2025 setzte er diesen Aufschwung fort. Er gewann O Gran Camiño, wurde Vierter bei Tirreno-Adriatico und belegte kürzlich Platz drei bei der Tour of the Alps. Jetzt visiert er mit gezielter Vorbereitung und Teamunterstützung das Podium des Giro an.
"Ich kreuze jetzt alle Kästchen an und gehe jedes einzelne Detail durch, um alles richtig zu machen", sagte
Gee gegenüber IDLProCycling.com. „Diesmal zählt nicht nur das Ergebnis. Wichtig ist, dass wir als Team während des gesamten Prozesses alles im Griff haben. So können wir langfristig etwas aufbauen.“
Er beschreibt eine klare Entwicklung: „Mental und körperlich bin ich an einem ganz anderen Punkt. Von Beginn der Saison an hatte ich ein Ziel: beim Giro um die Gesamtwertung mitzufahren. Vor zwei Jahren hatte ich keine Erwartungen und fuhr auf Etappensiege. Letztes Jahr bei der Tour war ich auf das Klassement fokussiert, aber ohne gezielten Aufbau. Dieses Jahr ist es anders.“
Teamunterstützung und langfristige Strategie
Sportdirektor Oscar Guerreiro, der Gees Entwicklung begleitet, bestätigt diesen Wandel. "Vor zwei Jahren haben wir erkannt, dass Derek sich extrem gut erholt. Er ist stark im Zeitfahren, hat Gewicht verloren und kann besser klettern. Er hat fast nie einen schlechten Tag. Jetzt behandeln wir ihn als echten GC-Leader und geben ihm alles, was er braucht."
Gees dritter Platz bei der Alpenrundfahrt war kein Rückschlag – vielmehr Teil der Strategie. "Das Rennen war kein Ziel. Es ging darum, nach dem Höhentrainingslager wieder in den Rennrhythmus zu kommen."
Jakob Fuglsang, der Gee beim Giro unterstützen wird, lobt ihn als Anführer: „Ich weiß nicht, ob ich ihm noch viel beibringen kann. Aber ich kann ihn beschützen und dafür sorgen, dass seine Beine frisch bleiben. Das ist meine Aufgabe.“
Fuglsang betont auch Gees Persönlichkeit: „Er ist freundlich, ehrlich und wird respektiert. Früher war er Helfer, jetzt ist er Anführer. Alle arbeiten gerne mit ihm.“
Realistisch, aber ehrgeizig
Gee selbst will den Druck gering halten: „Es ist schön, dass nicht viel über mich gesprochen wird. Das Endergebnis wird davon nicht beeinflusst. Je weniger Druck, desto besser.“ Guerreiro sieht großes Potenzial: „Man kann bei einer Grand Tour immer einen schlechten Tag erwischen. Aber es gibt keinen Grund, warum er nicht ums Podium kämpfen sollte.“
Gee bleibt bescheiden – aber voller Hoffnung: „Bisher hat die Saison Spaß gemacht. Es ist gut, wenn alles durchgeplant ist. Andererseits macht es auch Spaß, ohne Druck anzugreifen. Eine Top-Fünf-Platzierung wäre ein Traum. Aber wir nehmen es Tag für Tag – der wahre Test kommt in der letzten Woche.“
Trotz seiner neuen Rolle vergisst Gee nicht, woher er kommt: „Das Niveau im Profi-Radsport ist enorm gestiegen. Ich kann an einem guten Tag noch mithalten. Aber es geht nicht mehr nur um mich. Ich schätze die Teamarbeit und will den jungen Fahrern helfen. Gemeinsam auf Ergebnisjagd zu gehen – das erfüllt mich wirklich.“