Jan Ullrich und Rick Zabel haben das Krisenmanagement der
Vuelta a Espana im Umgang mit den eskalierenden pro-palästinensischen Protesten scharf kritisiert. Die beiden ehemaligen Profis warnten, dass das Image der Rundfahrt bereits erheblichen Schaden genommen habe.
In ihrem Ulle & Rick-Podcast nahmen sie vor allem die Rennleitung ins Visier – insbesondere wegen ihres Umgangs mit dem umstrittenen Team Israel – Premier Tech.
„Die Organisatoren haben sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert“, sagte Zabel. „Fakt ist: Das Image der Vuelta hat schon stark gelitten.“
Auch Ullrich fand deutliche Worte: „Es fehlt an Rückgrat. Man lässt Israel – Premier Tech einfach weitermachen und schiebt die Verantwortung auf das Team ab. Aber irgendjemand muss jetzt endlich die Verantwortung übernehmen.“
Eine von Protesten geplagte Grand Tour
Die Vuelta a Espana 2025 ist bislang stark von anhaltenden Protesten gegen das Team Israel – Premier Tech geprägt. Seit der Eröffnungswoche gehören palästinensische Flaggen, Transparente und Demonstrationen zum festen Bild am Straßenrand. Mehrfach drangen Aktivisten sogar auf die Strecke vor und sorgten so für Sicherheitsrisiken, die den Ablauf des Rennens wie auch die Fahrer unmittelbar beeinträchtigten.
Die Folgen sind gravierend: Mehrere Etappen mussten verkürzt werden, Stürze stehen im Zusammenhang mit plötzlichen Unterbrechungen, und die 11. Etappe wurde komplett neutralisiert – ohne Wertung und ohne Etappensieger. Zuletzt sahen sich die Organisatoren gezwungen, auch das Zeitfahren umzuplanen, um das Risiko weiterer Vorfälle zu verringern – ein äußerst ungewöhnlicher Schritt in der langen Geschichte einer Grand Tour.
Solche Szenen sind bei der La Vuelta 2025 zur Regel geworden.
Im Zentrum der anhaltenden Unruhen steht weiterhin Israel – Premier Tech, das WorldTour-Team des israelisch-kanadischen Milliardärs Sylvan Adams. Nach der neutralisierten 11. Etappe schlug Vuelta-Renndirektor Kiko García öffentlich vor, dass die Mannschaft im Interesse der Sicherheit einen Rückzug in Betracht ziehen sollte. Doch das Team lehnte ab und betonte, ein Rückzug unter dem Druck der Proteste würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen.
Stattdessen reagierte Israel – Premier Tech mit einer optischen Anpassung: Die Fahrertrikots wurden überarbeitet, das Wort „Israel“ entfernt und durch ein reduziertes Design mit Monogramm und Stern ersetzt. Dieser Schritt sollte die unmittelbaren Konflikte rund um das Branding abmildern, doch nach Ansicht von Jan Ullrich und Rick Zabel macht er vor allem eines deutlich – den fehlenden Mut der Organisatoren, eine klare Linie zu ziehen.
Ullrich und Zabel: Meinungsfreiheit hat Grenzen
Sowohl Ullrich als auch Zabel betonten, dass das Recht auf Protest unantastbar sei, zogen jedoch eine klare Grenze, sobald das Rennen selbst in Mitleidenschaft gezogen wird. „Jeder sollte die Möglichkeit haben, zu demonstrieren und seine Meinung frei zu äußern“, erklärte Zabel. „Aber wenn es auf Kosten des Rennens und der Sicherheit der Fahrer geht, dann schütteln wir beide nur noch den Kopf.“
Nach Ansicht der beiden Ex-Profis haben die Organisatoren der Vuelta die Situation zusätzlich verschärft, indem sie die Verantwortung auf das Team abwälzten, statt selbst eine klare Linie zu vertreten. Damit, so ihr Vorwurf, hätten sie nicht nur Verwirrung gestiftet, sondern auch die Glaubwürdigkeit der gesamten Veranstaltung untergraben.
Ullrich ist einer der größten Namen der deutschen Radsportgeschichte
Krisenzeiten für das Ansehen der Vuelta
Für Rick Zabel, der zu Beginn seiner Karriere selbst mehrere Jahre für Israel – Premier Tech fuhr, ist der Schaden längst angerichtet: „Tatsache ist, dass das Image der Vuelta bereits stark gelitten hat“, betonte er.
Auch Jan Ullrich, Deutschlands bislang einziger Tour-de-France-Sieger, schloss sich dieser Einschätzung an. Er warnte, dass die Glaubwürdigkeit des Rennens durch das Zögern und die fehlende Entschlossenheit der Verantwortlichen massiv beeinträchtigt worden sei.
Unterdessen hat sich nun auch die spanische Regierung eingeschaltet. Außenminister José Manuel Albares sprach sich offen für den Ausschluss der Mannschaft aus – ein Schritt, der die Spannungen weiter anheizt. Zwar wird die Vuelta unter strengen Sicherheitsvorkehrungen fortgesetzt, doch die Debatte darüber, wo der Sport aufhört und die Politik beginnt, war selten so scharf gezeichnet wie in diesem Jahr.
Das Gesamtbild
Grand Tours waren schon immer mehr als bloße Sportereignisse – sie sind wandernde Bühnen für Kultur, Politik und nationale Identität. Die Vuelta a España 2025 hat eindrücklich gezeigt, wie fragil dieses Gleichgewicht werden kann, wenn globale Konflikte direkt am Straßenrand sichtbar werden.
Für Jan Ullrich und Rick Zabel ist die Schlussfolgerung eindeutig: Wenn die Organisatoren nicht wieder die Kontrolle übernehmen und klare Entscheidungen treffen, wird die Geschichte dieser Vuelta nicht von Jonas Vingegaards Wattzahlen, Remco Evenepoels Widerstandskraft oder Juan Ayusos Zeitfahrsplits erzählt werden. Stattdessen wird sie in Erinnerung bleiben als das Rennen, in dem die Rennleitung es nicht schaffte, einen politischen Flächenbrand einzudämmen – und zuließ, dass er den Sport verschlang.