"Ausreißer, die es vor 10 Jahren geschafft hätten, werden es heute nicht mehr schaffen" - Neilson Powless über die zunehmende Schwierigkeit, eine Tour de France-Etappe zu gewinnen

Ein Etappensieg bei der Tour de France – für viele Profis ist das der Höhepunkt einer Karriere. Doch in einer Ära, in der Ausreißversuche oft an der Dominanz von Klassementfahrern wie Tadej Pogacar zerschellen, ist dieser Erfolg schwerer zu erreichen denn je. Neilson Powless weiß das nur zu gut.

Der US-Amerikaner von EF Education–EasyPost steht 2025 vor seiner sechsten Tour-Teilnahme. Fünfmal fuhr er in der Vergangenheit in die Top 10 auf Etappen, 2023 trug er das gepunktete Trikot zwölf Tage lang – doch ein Etappensieg blieb ihm bislang verwehrt. Das soll sich in diesem Jahr ändern.

„Der Etappensieg ist mein klares Hauptziel“, betont Powless bei der Teampräsentation in Lille. „Es gibt einige gute Möglichkeiten in der ersten Hälfte der Tour, aber ich lege mich nicht auf eine Etappe fest. Es ist ein langes Rennen, unvorhersehbar – man muss immer bereit sein.“

Powless weiß, wie eng der Spielraum für Etappenjäger geworden ist. Während früher viele Bergetappen Ausreißern gehörten, kontrollieren heute die Top-Teams das Renngeschehen deutlich strikter. „Die Geschwindigkeit in den Bergen ist heute so hoch – es fühlt sich an wie ein Zeitfahren. Viele Ausreißer, die vor zehn Jahren durchgekommen wären, haben heute kaum noch Chancen.“

Trotzdem hält Powless an seinem Plan fest: Chancen erkennen, mutig fahren, flexibel reagieren. „Carcassonne [Etappe 15] ist zum Beispiel eine gute Gelegenheit für eine Fluchtgruppe“, erklärt er. „Aber man muss jeden Tag neu einschätzen, ob eine Gruppe durchkommt – je nachdem, was die GC-Teams vorhaben.“

Gemeinsam mit seinen Teamkollegen will er taktisch klug agieren. „Es kann gut sein, dass wir als Duo in die gleiche Ausreißergruppe gehen – das erhöht die Chancen für uns als Team. Wichtig ist, dass wir vorbereitet sind.“

Powless spricht mit der Gelassenheit eines Fahrers, der um die Härte der Aufgabe weiß – und sich dennoch nicht abschrecken lässt. „Die Tour ist unberechenbar“, sagt er. „Du musst deine Chancen erkennen und bereit sein, sie zu nutzen. Es gibt keine Garantie – aber wenn sich eine Tür öffnet, will ich durch.“