Nach über einem Jahrzehnt im Profi-Peloton wird
Romain Bardet am Sonntag, dem 15. Juni 2025, auf dem Plateau du Mont-Cenis sein letztes Straßenrennen bestreiten. Damit endet eine Karriere, die ebenso bewundert wie hinterfragt wurde – und die nie ganz die Erwartungen erfüllte, die Frankreich lange in ihn gesetzt hatte.
Zwischen Hoffnung und Enttäuschung
Seit seinem Debüt 2012 bei AG2R La Mondiale galt Bardet als die große französische Hoffnung. 2016 wurde er Zweiter der Tour de France, 2017 Dritter – doch das ersehnte Gelbe Trikot blieb immer außer Reichweite. Trotz seiner offensiven Fahrweise und beeindruckenden Kletterfähigkeiten war sein größter Schwachpunkt stets das Einzelzeitfahren. Wie sein langjähriger französischer Rivale Thibaut Pinot konnte Bardet auf flachem Terrain kaum mit den Besten mithalten – ein Handicap, das ihn letztlich daran hinderte, in der Tour ganz nach oben zu kommen.
Besonders bitter bleibt das Tour-Zeitfahren in Marseille 2017 in Erinnerung. Bardet lag vor dem letzten Tag nur 23 Sekunden hinter Chris Froome, fuhr dann jedoch ein katastrophales Zeitfahren, verlor über zwei Minuten und fiel sogar hinter Rigoberto Urán zurück. „Plötzlich war Bardet zu Fuß unterwegs“, erinnerte sich Journalist Hugo Coorevits – es war vielleicht der Moment, in dem sich endgültig zeigte, dass Bardet das entscheidende Puzzleteil zum ganz großen Triumph fehlte.
Erst mit dem Wechsel zum Team DSM 2021 fand Bardet eine neue Rolle – als erfahrener Angreifer, ohne GC-Druck. Teamchef Iwan Spekenbrink nahm ihm die Last der Erwartung: „Du musst nicht gewinnen. Wir wollen nur die beste Version von dir sehen.“ Das befreite den studierten Wirtschaftswissenschaftler, der nie so recht in das Profil eines Tour-Siegers passen wollte. Er kehrte zurück zu einer instinktiveren, offensiveren Fahrweise – „alte Schule“, wie Coorevits es beschreibt.
Ein leiser Rückzug, ein verdienter Abschied
Mit dem
Criterium du Dauphine 2025 endet Bardets Karriere dort, wo sie oft begann: in den französischen Alpen, bei einem Rennen, das ihn auf seine Tour-Ziele vorbereiten sollte. Nur dass diesmal das Ziel ein anderes ist – der würdige Abschied eines Fahrers, der mit Leidenschaft, Taktikgefühl und Würde gefahren ist, auch wenn es nicht zur ganz großen Krönung reichte.
Er selbst formulierte es zuletzt gegenüber L’Équipe mit entwaffnender Ehrlichkeit:
„Noch ein Top-Ten-Platz bei einer Grand Tour hat mich auch nicht mehr zufrieden gestellt.“
Romain Bardet geht nicht als der dominierende Champion, den sich Frankreich erträumt hatte – aber als einer der stilvollsten, integersten und engagiertesten Fahrer seiner Generation. Ein Klassiker unter den Kletterern, der in Erinnerung bleiben wird.